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Klimawandel und zukünftig mögliche temperaturgesteuerte Malariatransmission in Deutschland

Climate change and future potential temperature dependent malaria transmission gates

Zusammenfassung

Hintergrund, Ziel und BereichIm Auftrag des Kompetenzzentrums Klimafolgen und Anpassung (KomPass) am Umweltbundesamt (UBA) wurde das Fachinformationssystem Klimafolgen und Anpassung (FISKA) entwickelt. Das FISKA soll den zuständigen staatlichen Institutionen Informationsgrundlagen und Wirkmodelle zu Folgen des Klimawandels für die Planung und Durchführung von Anpassungsmaßnahmen bereitstellen. In diesem Artikel wird das Wirkmodell Malariatransmission vorgestellt. Es wird gezeigt, wie mit diesem Wirkmodell und den in FISKA integrierten Klimaprojektionen der Modelle WettReg und REMO Risikogebiete für Malariaübertragungen identifiziert werden können.

Material und MethodenFISKA wurde als offenes und modulares Fachinformationssystem entwickelt. Es bietet die Möglichkeit, Daten und Informationen mit anderen Institutionen auszutauschen. Folgen des Klimawandels sind als Rechenkerne implementiert. Anwender sollen die Möglichkeit erhalten, weitere Daten und Wirkmodelle zu integrieren sowie vorhandene Wirkmodelle zu verbessern. Für die Berechnung der temperaturabhängigen Malariasekundärinfektionen wurde das Modell der Basic Reproduction Rate verwendet und in zwei Rechenkerne eingefügt: Mit einem lassen sich die potenziellen Sekundärinfektionen und mit dem anderen die Zeiträume möglicher Malariaübertragungen (Seasonal Transmission Gates) berechnen. Die dafür benötigten Lufttemperaturdaten für die Jahre 1961 bis 2007 wurden vom Deutschen Wetterdienst bereitgestellt. Daten über mögliche zukünftige Lufttemperaturen wurden für 30-jährige Klimanormalperioden (1991–2020, 2021–2050, 2051–2080) aus den Modellen REMO und WettReg extrahiert. Die anhand dieser Daten mit dem Modell der Basic Reproduction Rate berechneten Projektionen der Sekundärinfektionen wurden auf Grundlage einer multivariat-statistisch berechneten landschaftsökologischen Raumgliederung regionalisiert, und die zukünftigen potenziellen Malariatransmissionszeiten wurden auf naturräumlich signifikante Unterschiede überprüft.

ErgebnisseGegenüber den Jahren 1961 bis 1990 hat sich für den Zeitraum 1991 bis 2007 der prozentuale Flächenanteil Deutschlands, in dem eine Malariainfektion während ein bzw. zwei Monaten des Jahres möglich ist, zugunsten der Gebiete mit einer theoretisch dreimonatigen Übertragung verringert. So waren von 1991 bis 2007 nun auf 70 % statt auf 26 % des Bundesgebiets Malariaübertragungen während drei Monaten möglich. Der Flächenanteil des viermonatigen Übertragungszeitraumes stieg von 0,02 % auf 0,76 %, und erstmals war auf 0,15 % der Landesfläche eine Malariaübertragung während fünf Monaten möglich. Für zukünftige Klimanormalperioden können in nahezu allen Regionen Deutschlands Sekundärinfektionen auftreten und die Zahl der potenziellen Infektionen nimmt deutlich zu, sodass sich auch die jährlich möglichen Transmissionszeiträume bundesweit deutlich verlängern. In der regionalisierten Projektion REMO A1B für die Jahre 2051 bis 2080 weist fast das gesamte Bundesgebiet thermische Bedingungen auf, die Malariaübertragungen während vier bzw. fünf Monaten ermöglichen könnten.

DiskussionMit den steigenden Lufttemperaturen verändert sich die räumliche Struktur des ökologischen Elementarfaktors Temperatur, was unter sonst gleichen Randbedingungen die Reproduktion von Krankheitserregern (Pathogenen; hier Plasmodium vivax) und Krankheitsüberträgern (Vektoren, hier: Anopheles atroparvus) sowie die Krankheitsausbreitung fördern kann. Die Basic Reproduction Rate dient zur Berechnung der Anzahl sekundärer Malariainfektionen. Damit ist die Infektion eines Wirts durch einen Vektor gemeint, und zwar unter der Annahme, dass ein infizierter Vektor in eine potenzielle Wirtspopulation gelangt, in der jeder Wirt empfänglich ist. Alleine die Verbesserung der thermischen Bedingungen für sekundäre Malariaübertragungen bedeutet keineswegs, dass es automatisch zu einer Malariaepidemie kommt. Von großer Bedeutung, allerdings in dem Malariarechenkern unberücksichtigt, bleiben etwa die Bevölkerungsdichte und deren medizinische Versorgung sowie das Vorhandensein von geeigneten Habitaten für den Vektor. Das Beispiel Malaria soll stellvertretend für eine Reihe anderer Krankheiten stehen, deren Pathogene von Vektoren übertragen werden und deren beider Reproduktion maßgeblich von den thermischen Bedingungen abhängt.

SchlussfolgerungenDie Implementierung eines Klimawirkungsmodells zur potenziellen thermisch gesteuerten Malariatransmission in das FISKA zeigt beispielhaft Informationsgehalt und Funktionalität von FISKA. Die Daten und Funktionalitäten von FISKA können als Expertensystem zur Ermittlung von Risiken des Klimawandels in Deutschland verwendet werden. Die Ergebnisse können als interaktive Karte über die FISKA-Webanwendung öffentlich zugänglich gemacht werden. Aus technischer Sicht können prinzipiell alle Wirkmodelle, zu denen ein Rechenkern existiert, implementiert und als Ergebniskarten über die Webanwendung zugänglich gemacht werden. Voraussetzung hierfür ist, dass die Wirkmodelle und damit die erzeugten Risikokarten fachlich abgesichert und nachvollziehbar dokumentiert sind.

Empfehlungen und AusblickEine Erweiterung von FISKA für Europa ist technisch möglich. Hierfür bedarf es der Entwicklung von GIS- und Modellanwendungen auf Grundlage europäischer Geobasis- und Geofachdaten. Für kleinräumige Modellprognosen bedarf es dynamischer Modellierungen des Wasserhaushalts an der Bodenoberfläche sowie des Mikroklimas.

Abstract

Background, aim and scope On behalf of the Centre of Excellence for Climate Effects and Adaption (KomPass) of the German Federal Environment Agency (UBA) an Expert Information System on Climate Change and Adaption (FISKA) was developed. FISKA shall provide the governmental institutions with basic information and models on climate change impacts for the development and accomplishment of adaption strategies. In this paper the impact model on potential temperature-dependent malaria transmissions is presented. It shows how, together with the REMO and WettReg climate models implemented in FISKA, areas at risk of malaria can be identified.

Materials and methods FISKA was developed as an open and modular expert information system and allows the exchange of data and information with other institutions. Climate change impacts are implemented as calculation engines. The system allows for implementing additional data and impact models to improve existing impact models. For the calculation of the temperature-dependent potential secondary malaria infections the basic reproduction rate was used and the according algorithms were implemented in two calculation engines. One engine allows the calculation of the secondary infections and the other allows the calculation of the seasonal transmission gates. Measured air temperatures for the period 1961–2007 were provided by the German Meteorological Service (DWD), data on future air temperatures were extracted from the climate models REMO and WettReg for the climate reference periods 1991–2020, 2021–2050, and 2051–2080. The respective secondary infections and the resulting seasonal transmission gates for each period were regionalised on the basis of an ecological land classification to analyse significant ecoregional differences.

Results Comparing the climate reference period 1961–1990 and the following period 1991–2007, the proportion of Germany featuring a potential seasonal malaria transmission gate of one or rather two months has been reduced in favour of a three months transmission gate. Accordingly, in the period 1991–2007 malaria transmissions during three months are possible on 70 % of the German territory instead of 26 % in 1961–1990. The percentage of a four months transmission gate has increased from 0.02 % to 0.76 %, and even a five months transmission is possible on 0.15 % of Germany. For future periods the number of potential secondary infections increases and further extensions of the seasonal transmission gates were revealed. In case of REMO A1B in 2051–2080, almost whole Germany features thermal conditions allowing malaria transmissions during four or rather five months.

Discussion Rising air temperatures lead to changes in the spatial structure of the ecological elementary factor temperature, which can, under otherwise identical conditions, facilitate the reproduction of pathogens (here Plasmodium vivax) and vectors (here Anopheles atroparvus) as well as the spread of diseases. The basic reproduction rate serves the calculation of secondary malaria infections, which are the infections of host by a vector under the assumption that every member of the host population is susceptible for the pathogen. Improved thermal conditions alone do not necessarily imply the development of a malaria epidemic. Other factors like population density or medical care and the presence of vector habitats are of major importance, however, not considered by the calculation engines. The example of malaria is intended to be a model for a range of temperature-dependent vector-borne diseases.

Conclusions The impact model on temperature-dependent malaria infections shows exemplarily the information content and functionality of FISKA. Data and functionality of FISKA serve as an expert information system for the detection of risks due to climate change. The results can be published as interactive maps via the FISKA internet interface. From a technical point of view, every impact model based on a calculation engine can be implemented and published via the web interface, provided that the impact models and the resulting risk maps rely on scientific reliable assumptions and are documented comprehensively.

Recommendations and perspectives An improvement of FISKA considering the European scale is technically possible. It would require the development of GIS- and model applications on the basis of Europe-wide basic and specific data. For small-scale model runs a dynamic modelling of the water balance including soil hydrology as well as consideration of microclimate effects are required.

1 Hintergrund, Ziel und Bereich

Gemeinsam mit den Mitgliedstaaten der EU strebt die Bundesregierung an, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf weniger als +2 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Damit sollen die zu erwartenden Folgen eines noch stärkeren Klimawandels vermieden werden. Aber auch bei einer Begrenzung des Temperaturanstiegs auf +2 °C ist mit Auswirkungen des Klimawandels zu rechnen. Die Bundesregierung legte deshalb eine Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel (Bundesregierung 2008) vor. Diese Strategie bildet den Rahmen für Anpassungen an die Auswirkungen des Klimawandels in Deutschland und etabliert einen mittelfristigen Prozess, in dem schrittweise mit den betroffenen Akteuren der Handlungsbedarf benannt, entsprechende Ziele definiert, Zielkonflikte erkannt und ausgeräumt sowie mögliche Anpassungsmaßnahmen entwickelt und umgesetzt werden sollen. Ein wesentliches Element der DAS (Bundesregierung 2008) ist die Analyse und Bewertung von Klimaänderungen und Klimafolgen vor dem Hintergrund ökologischer sowie sozioökonomischer Entwicklungen im nationalen und internationalen Rahmen (Hassan et al. 2005; Metzger et al. 2006; Schinninger 2008; Schröter et  al. 2005).

In der DAS (Bundesregierung 2008) werden für 13 Lebens-, Umwelt- und Wirtschaftsbereiche sowie für den Bevölkerungsschutz und die Raumordnung mögliche Auswirkungen der beschriebenen Klimaänderungen dargestellt und Handlungsoptionen für Anpassung skizziert. Mögliche Wirkungen des Klimawandels im Handlungsfeld Gesundheit sind u. a.: Beeinträchtigungen durch Hitzewellen und veränderte Verbreitungsgebiete vektorübertragener Krankheiten wie z. B. Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME, engl. tick-borne encephalitis, TBE, Frühsommer-Meningitiserkrankung, übertragen durch infizierte Zecken wie z. B. Ixodes ricinus), Lyme-Borreliose (übertragen durch mit Borrelia burgdorferi infizierte Ixodes ricinus), Blauzungenkrankheit (übertragen durch Mücken der Gattung Culicoides aus der Familie der Gnitzen, z. B. Vertreter der Culicoides-obsoletus-Gruppe, Culicoides dewulfi oder C. imicola, die mit dem Blauzungenvirus [Bluetongue virus, BTV] infiziert sind) oder die Malaria (übertragen durch Stechmücken wie Anopheles atroparvus, die mit dem Erreger Plasmodium vivax infiziert sind) (Kampen 2005; Kampen et al. 2007; Krauss et al. 2004). Als Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel im Handlungsfeld Gesundheit werden u. a. genannt (Bundesregierung 2008): Einführung von Frühwarnsystemen mit zeitlich und räumlich konkretisierten Warnungen und Verhaltensregeln, Ausbau der medizinischen Forschung und intensives Monitoring klimabedingter Krankheiten.

Im Gegensatz zu einer von der Europäischen Umweltagentur (EEA 2008) vorgelegten Analyse und Bewertung von klimawandelinduzierten Umweltveränderungen (im Folgenden als Klimawirkungen abgekürzt) umfasst die DAS keine geografisch explizite Differenzierung von bereits beobachteten oder erwarteten Folgen des Klimawandels. Eine Regionalisierung der Klimawirkungen ist jedoch eine wesentliche Voraussetzung von räumlich differenzierten Anpassungsmaßnahmen; sie soll mit dem Fachinformationssystem Klimafolgen und Anpassung (FISKA) ermöglicht werden, das im Auftrag des Kompetenzzentrums Klimafolgen und Anpassung (KomPass) des Umweltbundesamtes von einem Konsortium aus der Fa. GICON Großmann Ingenieur Consult GmbH (Dresden), dem Lehrstuhl für Landschaftsökologie der Universität Vechta und dem Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) entwickelt wurde. Ziel war die Entwicklung eines Informationssystems, das räumlich differenzierte Informationsgrundlagen und Modelle zur prospektiven Abschätzung von Wirkungen des Klimawandels – im Folgenden als Wirkmodelle bezeichnet – bereitstellt. Dazu wurde ein IT-Prototyp entwickelt und seine Leistungsfähigkeit anhand verschiedener Klimawirkungen exemplarisch dargestellt.

Die drei übergeordneten Ziele der Entwicklung von FISKA waren: die Bereitstellung von Informationsgrundlagen zu Klimaänderungen und Klimafolgen, die Entwicklung eines Werkzeugs im Sinne eines Expertensystems zur Erfüllung von KomPass-Aufgaben sowie die beispielhafte Berechnung von Risikokarten für die öffentlichkeitsbezogene Kommunikation von möglichen künftigen Risiken eines Klimawandels. Im Einzelnen ging es um die Entwicklung einer GIS-gestützten Applikation (Fachinformationssystem), die es ermöglicht, mithilfe integrierter Geodaten exemplarische Klimawirkungen in Form von Risikokarten zu berechnen. Anschließend wurde das FISKA in die GIS-Umgebung des UBA überführt, und es wurde eine Webanwendung zur Darstellung der Karten über die KomPass-Homepage (http://www.anpassung.net) entwickelt. Für die Einsatz- und Verwendungsmöglichkeiten von FISKA sowohl für die UBA-interne Arbeit als auch für die Information der Öffentlichkeit und für die Umsetzung der DAS sollten Wirkmodelle in FISKA als Rechenkerne implementiert werden, die nach den folgenden drei Kriterien ausgewählt wurden: gesellschaftliche Relevanz, operationelle Umsetzbarkeit in FISKA und wissenschaftliche Untersetzung der implementierten Wirkungszusammenhänge. Die Entwicklungsarbeiten des Lehrstuhls für Landschaftsökologie umfassten die Integration der ökologischen Raumgliederung Deutschlands (Schröder und Schmidt 2000; Schröder et al. 2006) als naturräumliches Referenzsystem, die Entwicklung und Implementierung des Wirkmodells „potenzielle temperaturabhängige Malariainfektionen“ (PTM) und des Wirkmodells „Pflanzenphänologie“ als FISKA-Rechenkerne. Dieser Artikel behandelt die exemplarische Anwendung des Wirkmodells PTM unter Verwendung von regionalisierten Klimaprojektionen der Modelle REMO (Jacob et al. 2008) und WettReg (Spekat et al. 2006).

2 Material und Methoden

Mit den steigenden Lufttemperaturen verändert sich die räumliche Struktur eines ökologischen Elementarfaktors, was unter sonst gleichen Randbedingungen zu einer Ausweitung der Reproduktion und Verbreitung von Krankheitsüberträgern (Vektoren) sowie der von ihnen übertragenen Krankheiten führen kann. Dies gilt auch für die Malaria tertiana (Sumpffieber). Höhere Lufttemperaturen begünstigen unter sonst gleichen Randbedingungen die Reproduktion und Verbreitung der Krankheitsüberträger (Vektoren) (hier: Anopheles atroparvus) und der von ihnen übertragenen Pathogene (hier: Plasmodium vivax) (Hempelman et al. 2009; Maier et al. 2003).

Die zur Umsetzung des Rechenkerns verwendete Basic Reproduction Rate (R0) dient zur Berechnung der Anzahl sekundärer Malariainfektionen (Holy et al. 2009; Schmidt et al. 2008; Schröder und Schmidt 2008). Damit ist die Infektion eines Wirts durch einen Vektor gemeint, und zwar unter der Annahme, dass ein infizierter Vektor in eine potenzielle Wirtspopulation gelangt, in der jeder Wirt empfänglich ist. Aus fachlichen Gründen ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass alleine die Verbesserung der thermischen Bedingungen für sekundäre Malariaübertragungen keineswegs bedeutet, dass es automatisch zu einer Malariaepidemie kommt. Von großer Bedeutung, allerdings in dem Malariarechenkern unberücksichtigt, bleiben etwa die Bevölkerungsdichte und deren medizinische Versorgung sowie das Vorhandensein von geeigneten Habitaten für den Vektor. Das Beispiel Malaria soll stellvertretend für eine Reihe anderer Krankheiten stehen, deren Pathogene von Vektoren übertragen werden und deren Reproduktion maßgeblich von den thermischen Bedingungen abhängt.

Die Berechnung von Risikokarten zur Malariaausbreitung erfolgte in zwei Teilschritten. Zunächst wurden auf Basis von Karten zur gemessenen/prognostizierten mittleren monatlichen Lufttemperatur Karten zur potenziellen Anzahl von Malariasekundärinfektionen (R0) berechnet. Hierfür wurde die R0-Formel nach Lindsay und Thomas (2001) verwendet:

(1)

m = relative Häufigkeit weiblicher Anopheles atroparvus

a = Anzahl der Blutmahlzeiten je Mensch und Tag

b = Anteil weiblicher Anopheles atroparvus, in denen sich Parasiten nach Aufnahme infizierten Blutes entwickeln (in Ermangelung entsprechender Angaben für Anopheles atroparvus in der einschlägigen Literatur wurde ein für England und die Niederlande gültiger Durchschnittswert von 0,14 verwendet)

p = tägliche Überlebenswahrscheinlichkeit einer weiblichen Anopheles atroparvus (p = 0,97/Tag gemäß Jetten und Takken 1994, S. 42 f.)

n = Zeitdauer [d] der Parasitenentwicklung in adulten Anopheles-atroparvus-Weibchen

n = f2/(Tg2)

f2 = Thermische Summe in Gradtagen (105 bei dem physiologisch kritischen Grenzwert g2)

T = Durchschnittliche Umgebungstemperatur

g2 = Minimumtemperatur für Parasitenentwicklung (14,5 °C gemäß Jetten und Takken 1994, S. 46)

r = Erholungsrate der mit Malaria infizierten Menschen (r = 0,0167/Tag gemäß Lindsay und Thomas 2001, S. 81)

Als Datengrundlage für dieses Reproduktionsmodell wurden mithilfe der IDP-Software (interaktives Diagnose- und Präsentationstool, Kreienkamp und Spekat 2007) die für die Klimanormalperioden 1991–2020, 2021–2050 und 2051–2080 benötigten Karten zur jeweiligen Monatsmitteltemperatur für die Monate Mai bis September aufbereitet und in das GIS exportiert. Hierzu wurden jeweils für die WettReg- und REMO-Klimaszenarien A1B und B1 (Nakicenovic und Swart 2000) insgesamt 60 (5 Monate × 3 Zeiträume × 2 Klimamodelle × 2 Klimaszenarien) Temperaturkarten mit einer räumlichen Auflösung von 12,5 × 12,5 km erzeugt. Da die für das Klimaszenario REMO A1B prognostizierten durchschnittlichen Temperaturen für den Zeitraum 2051–2080 auch eine Verbreitung des Erregers im Oktober ermöglichen, wurde dieser Monat für dieses Szenario und diesen Zeitraum bei Berechnung der potenziellen Übertragungsdauer zusätzlich berücksichtigt. In allen anderen Monaten der betrachteten Zeiträume und Szenarien erwiesen sich die prognostizierten Monatsmitteltemperaturen für eine Übertragung der Malaria in ganz Deutschland als zu niedrig (Grenzwert für die Entwicklung des Parasiten: 14,5 °C). Insgesamt wurden also 61 Karten zu den potenziellen temperaturabhängigen Sekundärinfektionen mit dem Malariaerreger Plasmodium vivax berechnet. Hinzu kamen Karten zur räumlichen Verteilung gemessener Monatsmitteltemperaturen (1961 bis 1990), die der DWD zur Verfügung stellte bzw. die mithilfe von Regression Kriging aus den vom DWD ermittelten Stationsmittelwerten berechnet wurden (1991 bis 2007).

Regression Kriging ist eine Kombination aus multipler linearer Regressionsanalyse (Methode der konventionellen Statistik) und Kriging (Methode der Geostatistik). Hierbei handelt es sich um eine Technik zur räumlichen Interpolation, bei der die Residuen einer regressionsanalytisch quantifizierten Beziehung zwischen einer abhängigen Variable (hier: Temperatur) und einer unabhängigen Variablen (hier: Höhenlage über NN) z. B. mit Ordinary Kriging interpoliert und mit der gemäß Regressionsmodell berechneten (Temperatur-)Karte verrechnet werden (Hengla et al. 2007; Romić et al. 2007).

Die anhand der genannten Daten durchgeführten Berechnungen von R0 ergeben für die genannten Zeiträume die durchschnittliche Anzahl von Zweitinfektionen, die durch ein einziges infiziertes Individuum verursacht werden, wenn dieses auf eine potenzielle Wirtspopulation trifft, in der jedes Mitglied für den Erreger empfänglich ist. Wenn R0 ≥ 1, dann breitet sich die Malaria aus. Wenn aber R0 < 1, dann ist eine Malariaausbreitung nicht zu erwarten (Martens et al. 1999, S. 92).

Nach Berechnung der R0 für die o. g. fünf Zeiträume wurden je Klimanormalperiode für jeweils beide Klimamodelle (REMO, WettReg) und Klimaszenarien (B1, A1B) Transmissionskarten erzeugt, die Auskunft über die jeweils mögliche durchschnittliche jährliche Malariaübertragungsdauer geben. Hierfür wurden in jeder der 61 untersuchten Monatstemperaturkarten alle Rasterzellen mit R0-Werten ≥ 1 auf 1 und alle Rasterzellen < 1 auf 0 rekodiert und anschließend aufsummiert. Die so verrechneten Rasterzellen bilden damit die regionalen potenziellen Malariaübertragungszeiträume (Seasonal Transmission Gates) ab.

Für eine naturräumlich differenzierte Auswertung der Risikokarten wurden die zuvor ermittelten Transmissionskarten schließlich im GIS mit der ökologischen Raumgliederung Deutschlands (21 Klassen; Schröder und Schmidt 2000; Schröder et al. 2006) verschnitten und statistisch in Form von Kreuztabellen ausgewertet.

3 Ergebnisse

In Tabelle 1 sind für jeden Zeitraum und jede Kombination von Klimamodell und -szenario die jeweiligen Flächenanteile der Regionen Deutschlands aufgelistet, in denen eine Sekundärinfektion durch die Übertragung des Malariaerregers Plasmodium vivax unter alleiniger Berücksichtigung des ökologischen Elementarfaktors Temperatur möglich ist (R0-Werte ≥ 1). Es ist abzulesen, dass in den Monaten Juli und August in nahezu ganz Deutschland eine Übertragung möglich wäre. Weiterhin ist das Übertragungsrisiko für das Klimaszenario A1B höher als für das Szenario B1, das gleiche gilt für die REMO-Prognosen im Vergleich zu denen von WettReg.

Tabelle 1 Flächenanteile Deutschlands mit R0 > 1 (%) 1961 bis 2080 (Datengrundlagen: DWD, WettReg A1B)

Ein Vergleich der R0-Werte aus der Messperiode 1991 bis 2007 mit den für die Jahre 1991 bis 2020 prognostizierten Werten zeigt, dass sowohl für das Klimaszenario A1B als auch für das Szenario B1 die Flächenanteile der durch Sekundärinfektionen gefährdeten Regionen für die Monate des vergangenen Zeitraums z. T. deutlich höher ausfallen, als dies durch die Klimaprojektionen von REMO und WettReg zu erwarten wäre. So beträgt der Flächenanteil der Gebiete in Deutschland mit R0-Werten ≥ 1 für den Monat Juni der Jahre 1991 bis 2007 rund 71 %, während die Werte der beiden Klimaprojektionen für denselben Monat Zeitraum 1991 bis 2020 zwischen 47,3 % und 83,2 % schwanken (Tabelle 1).

Der regionale Vergleich zeigt, dass das Übertragungsrisiko im Mittel- und Hochgebirge sowie an der Nord- und Ostseeküste erwartungsgemäß am niedrigsten ist, wohingegen die höchste Zahl potenzieller Sekundärinfektionen entlang des Oberrheintalgrabens, im Rheinischen Tiefland sowie in dem durch ein kontinentales Klima geprägten Brandenburg zu verzeichnen sind. Für die ungünstigsten, d. h. wärmsten, Szenarien werden aber selbst die für eine Entwicklung von Plasmodium vivax ungünstigen, kühleren Regionen immer weniger. Im ungünstigsten Fall (REMO-A1B, Zeitraum 2051–2080) bleiben in Deutschland im Juli nur noch 0,2 % des Bundesgebiets (Alpenhochlagen) übrig, in denen eine Sekundärinfektion mit Malaria thermisch nicht möglich ist (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Räumliche Differenzierung potenzieller Sekundärinfektionen Juli 1961 bis 2080 (Datengrundlagen: DWD, WettReg A1B)

Gegenüber dem Zeitraum 1961–1990 hat sich für den Zeitraum 1991–2007 der prozentuale Anteil der Landesfläche, auf der eine Malariainfektion während ein oder zwei Monaten des Jahres möglich ist, zugunsten der Gebiete mit einer theoretisch dreimonatigen Übertragung verringert (Tabelle 2). So sind im Zeitraum 1991 bis 2007 nun auf 70 % statt auf 26 % des Bundesgebiets Malariaübertragungen während 3 Monaten möglich. Der Flächenanteil des viermonatigen Übertragungszeitraumes ist von 0,02 % auf 0,76 % angestiegen, und erstmals ist auf 0,15 % der Landesfläche eine Malariaübertragung während fünf Monaten möglich. Zwischen 1991 und 2007 finden sich Gebiete ohne potenzielle Malariaübertragungen lediglich noch in den Hochlagen der Mittelgebirge (Harz, Sauerland, Schwarzwald, Thüringer und Bayerischer Wald, Fichtelgebirge sowie Erzgebirge) und in den Alpen. Die Ränder der Hochlagen weisen einmonatige Übertragungszeiträume auf. Ähnlich sieht es für die Jahre 1991 bis 2020 aus, wobei die WettReg- und REMO-Klimaszenarien gegenüber den auf Messwerten basierenden Karten für 1991 bis 2007 weniger Regionen mit einer mehr als zweimonatigen Übertragungszeit aufweisen (Ausnahme: REMO-B1). In den folgenden Klimanormalperioden nimmt das räumliche und zeitliche Ausmaß der potenziellen Malariaübertragung zu. So beträgt der Anteil Deutschlands mit einer viermonatigen potenziellen Übertragungsdauer für REMO-A1B in der Klimanormalperiode 2021–2050 bereits 31 %, für die folgenden 30 Jahre 62 %, wobei nun auch der Flächenanteil mit einer fünfmonatigen Übertragungsdauer bereits bei einem Drittel liegt. Durchweg ist auch hier zu beobachten, dass die Prognosen von REMO gegenüber WettReg zumeist ungünstiger ausfallen. Der Flächenanteil derjenigen Regionen, in denen keine Malariaübertragung oder nur eine einmonatige möglich ist, sinkt bis auf insgesamt 0,3 % (2051 bis 2080, REMO-A1B).

Tabelle 2 Flächenanteile potenzieller Malariaübertragungszeiträume in Deutschland 1961 bis 2080 (Datengrundlagen: DWD, WettReg A1B)

Schließlich wurden durch Subtraktion der Rasterkarten im GIS Differenzenkarten berechnet, die die Veränderungen der potenziellen Übertragungszeiträume für jeweils zwei aufeinanderfolgende Klimanormalperioden flächenhaft darstellen. Ein Vergleich der räumlichen Veränderungen zwischen den jeweiligen Klimanormalperioden anhand dieser im GIS berechneten Differenzenkarten zeigt, dass für die beiden vergangenen Messzeiträume auf etwa 55 % der Landesfläche kein Unterschied in der potenziellen Übertragungsdauer festzustellen ist. In den übrigen Regionen erhöht sich die Übertragungsdauer zumeist um einen Monat, in den Mittelgebirgen stellenweise auch um zwei Monate, was daran liegt, dass hier erstmals eine Malariaübertragung in den Sommermonaten möglich wird. Der Vergleich der Messperiode 1991 bis 2007 mit den prognostizierten WettReg-Daten für 1991 bis 2020 ergibt, dass für viele Regionen ein Rückgang der Übertragungsdauer von einem Monat festzustellen ist (Abb. 2). Offensichtlich sind die Klimaprognosen für dieses Szenario in dem betreffenden Zeitraum zu konservativ; tatsächlich ist es regional bereits wärmer als vorhergesagt. Für die REMO-Prognosen trifft dies nicht zu, hier ist nur vereinzelt ein Rückgang der potenziellen Übertragungsdauer festzustellen, demgegenüber weisen mehr Regionen ein Zunahme der Übertragungsdauer um einen Monat auf.

Abb. 2
figure 2

Differenzenkarten für die Übertragungszeiträume 1961 bis 2080 (Datengrundlagen: DWD, WettReg A1B)

Für eine naturräumlich differenzierte Auswertung der Risikokarten wurden die Transmissionskarten schließlich im GIS mit der ökologischen Raumgliederung Deutschlands (21 Klassen; Schmidt und Schröder 2000; Schröder et al. 2006) verschnitten und statistisch in Form von Kreuztabellen ausgewertet. Tabelle 3 enthält die Ergebnisse der Kreuztabellierung für den Zeitraum 2051 bis 2080 (Szenario B1, REMO). Regionen mit einer überwiegend zweimonatigen potenziellen Übertragungsdauer entfallen im Zeitraum 1991–2007 (Tabelle 3) auf solche Raumklassen (RK), die den Mittel- und Hochgebirgen zuzuordnen sind (RK 12 = Hochlagen der kristallinen und paläozoischen Mittelgebirge; RK 26 = Schwäbische Alb; RK 54 = Allgäu und Hochalpen) bzw. in Küstennähe liegen (RK 22 = Nord- und Ostfriesische Marsch; RK 46 = Schleswig-Holsteinische und Mecklenburgische Jungmoränenlandschaft). Mit einem Flächenanteil von 13,6 % (RK 12) bzw. 14,3 % (RK 54) weisen die Hochlagen auch für die Klimanormalperiode 2051–2080 (Szenario B1, REMO) den höchsten Anteil an nur zwei Monaten (Juli und August) potenziellem Übertragungszeitraum auf. In den meisten anderen Raumklassen herrscht eine potenzielle Übertragungsdauer von drei Monaten vor.

Tabelle 3 Flächenanteile potenzieller Malariaübertragungszeiträume in den ökologischen Raumklassen Deutschlands für die Klimanormalperiode 2051 bis 2080 (Datengrundlage: WettReg A1B)

Von einer Erwärmung besonders betroffen sind die hauptsächlich in Ostdeutschland gelegenen Raumklassen 18 (Brandenburgische Jungmoränenlandschaft) und 19 (Leipziger Tieflandsbucht), in denen eine Übertragungsdauer von vier Monaten dominiert. Für RK 63 (Schwäbisches Schichtstufenland), die sich in Baden-Württemberg in Nachbarschaft zum Oberrheintalgraben erstreckt, sind für die Klimanormalperiode 2051–2080 die längsten Übertragungszeiträume zu beobachten. Hier kann die Malaria auf 23,1 % der Fläche (REMO, Szenario B1) in fünf Monaten des Jahres übertragen werden (Tabelle 3).

4 Diskussion

Nachdem die Frage, ob es einen Klimawandel gibt, spätestens seit den 1980er Jahren in Wissenschaft und Öffentlichkeit diskutiert wird, sind politische Entscheidungen jetzt darauf ausgerichtet, geeignete Anpassungsmaßnahmen vorzubereiten. Der dafür auf Bundesebene geschaffene Rahmen ist die Deutsche Anpassungsstrategie. Ein technisches Instrument zur Unterstützung der Anpassungsstrategie ist das FISKA. Diese Webanwendung ermöglicht dem Nutzer u. a. das Hineinzoomen in Karten, die räumlich differenzierte Ergebnisse von Wirkmodellen abbilden. Für den Umgang mit FISKA ist es am Beispiel solcher Detailbetrachtungen wichtig zu betonen, dass das dabei technisch Machbare durch eine sinnvolle Interpretation der Daten begrenzt wird. Dafür ausschlaggebend ist im Beispielfall die räumliche Auflösung der dem Wirkmodell unterlegten empirischen Daten.

Der Benutzer der FISKA-Internetanwendung kann aus einer Reihe fertiger Risikokarten auswählen, kann jedoch nicht eigenständig Rechenläufe durchführen. Aus technischer Sicht können prinzipiell alle Wirkmodelle, zu denen ein Rechenkern existiert, publiziert werden, sodass die Ergebniskarten über die Webanwendung zugänglich sind. Voraussetzung hierfür ist, dass die Wirkmodelle und damit die erzeugten Risikokarten fachlich abgesichert und die Aussagemöglichkeiten und -grenzen umfassend und nachvollziehbar dokumentiert sind.

In den Wirkmodellen sind Anpassungsmaßnahmen bislang nicht berücksichtigt. Die Risikokarten zeigen nur auf, wo innerhalb Deutschlands Anpassungsmaßnahmen erforderlich sein können. Die Einbeziehung von Anpassungsmaßnahmen und deren Auswirkungen erscheint für nachhaltigkeitsorientierte Vorausabschätzungen sinnvoll. Eine Erweiterung von FISKA für Europa ist technisch möglich und lässt sich bei Verfügbarkeit von europaweiten Geobasis- und Geofachdaten verwirklichen. Beispielsweise existieren neben vielen Karten zu soziökonomischen Sachverhalten physisch-geografische und biogeografische Karten sowie eine ökologische Raumgliederung Europas (Hornsmann et al. 2008; Weustermann et al. 2009a, b).

Für einige Wirkmodelle konnte kein FISKA-Rechenkern entwickelt werden: So bedarf es zur Integration eines Rechenkerns zur Ableitung einer ökologischen Raumgliederung (Schröder und Schmidt 2000; Schröder et al. 2006) zusätzlicher Datengrundlagen, wie etwa einer europaweiten Karte zur potenziell natürlichen Vegetation (Bohn et al. 2000), da es denkbar ist, dass durch die Klimaerwärmung auch solche Vegetationsgemeinschaften nach Deutschland vordringen können, die bislang noch nur in Südeuropa potenziell natürlich sind. Dies bedeutet, dass man die Karte der PnV Europas zusammen mit europaweiten Boden- und Klimadaten in FISKA vorhalten und einen Rechenkern für die Berechnung implementieren müsste. Der hierfür zu entwickelnde Algorithmus muss in der Lage sein, entsprechend viele PnV-Legendeneinheiten zu verarbeiten (Hornsmann et al. 2008; Weustermann 2009a, b). Für andere Wirkmodelle sind die Wirkungsgefüge so komplex, dass eine Vereinfachung durch statistische Modelle derzeit kaum (Weizenertrag) oder gar nicht (Flusshochwasser) zu realisieren ist.

Das in diesem Artikel präsentierte Wirkmodell „potenziell temperaturabhängige Malariatransmission“ stellt eine starke Vereinfachung realer Verhältnisse dar, zumal es wesentlich auf dem Einfluss der Lufttemperatur beruht und sozioökonomische Faktoren unberücksichtigt lässt (Hempelmann et al. 2009; Holy et al. 2009; Schmidt et al. 2008; Schröder und Schmidt 2008). Jedoch ist es auch die Aufgabe von Modellen, reale Sachverhalte zusammenfassend und dabei notwendigerweise abstrahierend zu beschreiben, um auf dieser Grundlage mögliche Zukunftsentwicklungen unter vereinfachenden Annahmen abzuschätzen (Stachowiak 1973).

Seit Ende des Zweiten Weltkrieges gilt Malaria als typische Tropenkrankheit. Dass dies nicht immer so war, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Dabei zeigt sich eine enge Verknüpfung der Malariaausbreitung mit der Klimaentwicklung und – was in dem dieser Untersuchung zugrunde gelegten Modell nicht berücksichtigt ist – mit der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung (Hempelmann et al. 2009): Vor etwa 10.000 Jahren stiegen weltweit Temperaturen und Niederschlagsmengen und die Lebensbedingungen änderten sich radikal: Die nomadische Lebensweise als Jäger und Sammler wurde, verbunden mit der Anlage fester Siedlungsplätze, durch Ackerbau und Viehzucht (neolithische Revolution) abgelöst. Neue Verfahren in Landwirtschaft und Nahrungsproduktion ermöglichten ein verstärktes Bevölkerungswachstum, das Entstehen von Hochkulturen und beiläufig eine Verbesserung der Bedingungen für die Zunahme der Malariainfektionen. Malaria war unter den prähistorischen Nomadengesellschaften keine verbreitete Krankheit, denn die Infektion tritt nur zu bestimmten Zeiten im Jahr räumlich begrenzt auf. Die Zahl der Mitglieder einer prähistorischen Menschengruppe war für das Ausbrechen einer Epidemie zu klein, und bei Malariaerkrankungen zog die Gruppe in eine andere, malariafreie Gegend. Es war für Jäger und Sammler einfach, die erfolgreichste Anti-Malaria-Strategie anzuwenden, nämlich Orte mit Malariaüberträgern zu meiden. Da Malaria nicht durch Kontakte mit Fieberkranken übertragen wird, war die Infektionskette durch einen Ortswechsel unterbrochen. Das alles änderte sich durch das Aufkommen weitflächiger Landwirtschaft. Landwirtschaft (insbesondere der Reisanbau) benötigte ausreichende Bewässerung und bot so durch die Schaffung von Kulturlandschaften geeignete Brutstätten für Malariaüberträger. In den Tälern von Nil, Euphrat oder Ganges litten die Kulturvölker der Alten Welt unter der sich in Wärmeperioden flächenhaft ausdehnenden Malaria. In den nordeuropäischen Küstenlandschaften war Malaria seit dem 5. Jahrhundert n. Chr. verbreitet. Vom 15. bis zum 19. Jahrhundert war die Zahl der Todesfälle in diesen Regionen u. a. durch Plasmodium vivax ähnlich hoch wie heute in den Ländern südlich der Sahara. Nur Island blieb malariafrei. In den Feuchtgebieten Niedersachsens wurden die letzten endemischen Malariafälle in den frühen 1950er-Jahren registriert (Schröder et al. 2007). Heute kommt Malaria hauptsächlich in afrikanischen Ländern südlich der Sahara und in geringerem Umfang in Südostasien und Südamerika vor, in den wohlhabenden Ländern wurde sie erfolgreich eliminiert. Derzeit lebt ungefähr die Hälfte der Weltbevölkerung in Regionen, in denen Malaria endemisch oder epidemisch auftritt. 2006 starben weltweit 881.000 Menschen an Malaria, davon über 90 % in Afrika südlich der Sahara. Zur Infektionsbekämpfung stehen neben der Vernichtung der Anopheles-Mücken einige Medikamente zur Verfügung (Hempelmann et al. 2009). Für Kinder ist die Malaria die häufigste Todesursache weltweit. Der afrikanischen Wirtschaft entsteht durch Malaria ein Verlust von 12 Mrd. Dollar pro Jahr.

Infolge des rezenten Klimawandels finden Überträgermücken und Malariaerreger auch weiter nördlich gute ökologische Bedingungen für ihre Reproduktion und Entwicklung. Dass die Malaria irgendwann auch in Europa wieder endemisch wird, ist nicht ausgeschlossen, auch aufgrund der in dem mathematischen Modell dieser Untersuchung nicht berücksichtigten Globalisierung. Malaria gilt längst als heilbar, moderne Medikamente verhindern einen tödlichen Verlauf, doch fehlt in Entwicklungs- und Schwellenländern meist das Geld für eine erfolgreiche Behandlung und Prophylaxe. Tod durch Malaria ist also auch ein Armutsphänomen.

5 Empfehlungen und Ausblick

FISKA wurde als offenes und modulares Fachinformationssystem entwickelt. Es bietet die Möglichkeit, Daten und Informationen mit anderen Institutionen auszutauschen. Weitere Entwicklungsschritte könnten in der Entwicklung von Schnittstellen zu anderen Expertensystemen wie bspw. zum System DeNIS (http://www.denis.bund.de/) des BBK (Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe) sein. Jeder Anwender sollte die Möglichkeit erhalten, weitere Daten zu integrieren, vorhandene Wirkmodelle zu verbessern und neue Wirkmodelle (Rechenkerne) zu implementieren. Technisch soll die Einbindung weiterer Daten und Wirkmodelle mithilfe des Wirkmodell-Package-Generators vereinfacht werden. Mit diesem externen Modul kann der Nutzer lokal ein Package mit Rechenkern und Datensatz erzeugen, das anschließend vom UBA in FISKA implementiert wird. Eine weitere Möglichkeit wäre die direkte Integration des Package in FISKA durch den Anwender selbst, der hierfür Zugriffsrechte auf FISKA erhalten müsste.

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Danksagung

Das FuE-Vorhaben wurde im Auftrag des Kompetenzzentrums Klimafolgen und Anpassung (KomPass) des Umweltbundesamtes von einem Konsortium aus der Fa. GICON Großmann Ingenieur Consult GmbH (Desden), dem Lehrstuhl für Landschaftsökologie der Universität Vechta und dem Potsdam Institut für Klimafolgenforschung entwickelt. Ein Projektbeirat begleitete die Projektarbeiten. Allen genannten Institutionen und beteiligten Akteuren sei für die konstruktive und reibungslose Zusammenarbeit gedankt.

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Schröder, W., Holy, M., Schmidt, G. et al. Klimawandel und zukünftig mögliche temperaturgesteuerte Malariatransmission in Deutschland. Environ Sci Eur 22, 177–187 (2010). https://doi.org/10.1007/s12302-010-0127-4

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