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  • INTERDISZIPLINÄRE KOOPERATION
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Das Graduiertenkolleg „Verbesserung von Normsetzung und Normanwendung im integrierten Umweltschutz durch naturwissenschaftliche Kooperation“ an der Universität Trier

Ein erster Erfahrungsbericht

1 Rechts- und naturwissenschaftliche Kooperation: Gegensätzlichkeit und ihre Überwindung

Die Einrichtung eines Graduiertenkollegs auf der Basis einer rechts- und naturwissenschaftlichen Kooperation ist bei weitem nichts Alltägliches und stellt insbesondere im Hinblick darauf, dass diese auf Dauer und Gleichgewichtigkeit zwischen den beiden Disziplinbereichen angelegt ist, eine sehr seltene Art der Zusammenarbeit dar. In diesem Kontext sei auf den Beitrag von Hendler (2010) verwiesen, der anschaulich die Schwierigkeit einer solchen Interdisziplinarität von verschiedenen Seiten her beleuchtet. Ergänzend soll hier nur Folgendes erwähnt werden: Wie nicht anders zu erwarten, mündeten die ersten Treffen zwischen Juristen und Naturwissenschaftlern nicht gerade in einer Ergebnisflut. Sie waren vielmehr davon geprägt, dass man sich erst kennen und verstehen lernen musste, um mit der jeweiligen Andersartigkeit umgehen zu können. Diese zeigte sich in den unterschiedlichen Gepflogenheiten, Denkweisen und Arbeitsmethoden, die verschiedener nicht hätten sein können und die durch den einfachen, aber sehr präzisen Indikator „Kleiderordnung“ hervorragend visualisiert wurde. Die hohe Aussagekraft dieses Indikators basiert darauf, dass die Unterschiede im äußeren Erscheinungsbild als Adaptation an eine völlig andere Umwelt im weitesten Sinne verstanden werden müssen. So wundert es auch wenig, dass den ersten gemeinsamen Formulierungen und Ideen möglicher Forschungsansätze diese Gegensätzlichkeit innewohnte, indem sie etwa so lauteten: „Dialektik zwischen gesetzlicher Normierung und der Dynamik in biologischen Systemen“. Hoffnungsvoll daran war, dass mit dem Begriff der Dialektik zum Ausdruck gebracht wurde, die Gegensätze überwinden zu wollen oder dies zumindest anzustreben. Allerdings muss hierbei erwähnt werden, dass diese Formulierung aus der naturwissenschaftlichen Feder stammt. Ein Jurist würde von „einer stärkeren Anpassung der Normen an die Dynamik der Ökosysteme“ sprechen, ohne allerdings die Gegensätzlichkeit und ihre Überwindung aus den Augen zu verlieren. Immerhin waren somit einige Eckpunkte der Kooperation wie Dialektik, Normen und Normgebung formuliert und der Schritt sowohl zum integrierten Umweltschutz als auch zu unbestimmten Rechtsbegriffen und schließlich zu einem abgerundeten Forschungsansatz nicht mehr allzu groß, auch wenn dazu noch eine Reihe weiterer Sitzungen und Treffen notwendig waren. Nachdem dann auch die Begutachtung des Antrags durch die Deutsche Forschungsgesellschaft (DFG) erfolgreich verlief, startete das Graduiertenkolleg am 1. 4. 2006 als interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen dem Institut für Technik- und Umweltrecht (IUTR) und den naturwissenschaftlichen Fächern Biogeografie, Bodenkunde und Ökotoxikologie der Universität Trier.

2 Die zentrale Forschungsidee des Graduiertenkollegs

Die zentrale Forschungsidee des Graduiertenkollegs ist auf fachübergreifende rechts- und naturwissenschaftliche Kooperation angelegt. Zur Verwirklichung dieser Idee haben sich Rechts- und Naturwissenschaftler zusammengefunden, die bei ihrer Tätigkeit im Bereich der Erhebung und Bewertung des Umweltzustands häufig an die Grenzen ihres jeweiligen Fachgebiets stoßen und daher eine verstärkte interdisziplinäre Ausrichtung des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses für unerlässlich halten. International gibt es für das Projekt zielgerichteter rechts- und naturwissenschaftlicher Kooperation zum Zweck des gemeinsamen Erkenntnisgewinns im Bereich des integrierten Umweltschutzes – soweit ersichtlich – keine etablierten Vorbilder.

3 Ausgangspunkt: der integrierte Umweltschutz

Als Ausgangpunkt wurde der integrierte Umweltschutz, der im Graduiertenkolleg vor allem als Gegensatz zum medial geprägten Umweltschutz verstanden wird, gewählt, weil er durch eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe sowie durch eine hohe Komplexität geprägt ist. Daraus ergibt sich nicht nur ein breites Forschungsfeld für Juristen und Naturwissenschaftler, sondern es lassen sich daraus auch eine Vielzahl fachübergreifender Problemfelder (Abschn. 4) definieren. Das übergeordnete Ziel gründet sich dabei auf dem Leitgedanken, praxisbedeutsame Erkenntnisse zur Verbesserung von Normsetzung und Normanwendung zu gewinnen. Adressat entsprechender Erkenntnisse ist der Normgeber. Zu den wesentlichen Aufgaben des Graduiertenkollegs gehört es deshalb, der Exekutive und der Judikative Hilfestellungen für den praktischen Umgang mit der bestehenden umweltrechtlichen Begrifflichkeit zu geben, die von rechts- und naturwissenschaftlicher Seite gemeinsam erarbeitet werden. Einen Schwerpunkt innerhalb des integrierten Umweltschutzes bilden übergreifende Problemstellungen, die sich eng an das Leitbild der nachhaltigen Nutzung (sustainable development) anlehnen.

4 Struktur und Themen des Graduiertenkollegs

Sprecher des Graduiertenkollegs ist Prof. Dr. Reinhard Hendler, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Umweltrecht, Institut für Umwelt- und Technikrecht. Neben den beiden stellvertretenden Sprechern, Prof. Dr. Roland Klein und Prof. Dr. Martin Paulus von der Biogeografie, sind neun weitere Professorinnen und Professoren an dem Kolleg beteiligt. Vier davon stammen aus der Rechtswissenschaft und fünf aus den Fächern Biogeografie, Bodenkunde und Ökotoxikologie.

Zurzeit gehören darüber hinaus 15 Kollegiatinnen und Kollegiaten dem Graduiertenkolleg an. Die von ihnen bearbeiteten Themen (Übersicht auf der Homepage des Graduiertenkollegs: http://www.uni-trier.de/index.php?id=7279) stammen aus den unterschiedlichen Bereichen des integrierten Umweltschutzes, wie z. B. Energiepflanzenanbau, GVO-Freisetzung und Monitoring, naturschutzrechtliche Eingriffsregelungen, Biodiversität, Bodenschutz, Umweltchemikalien, Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, strategische Umweltprüfung, Stammzellen und Kryokonservierung, Biomonitoring und Umweltprobenbank, Registrierung und Bewertung von Chemikalien und Umwelthaftungsgesetz.

Dabei treten immer wieder unbestimmte Rechtsbegriffe wie z. B. Erheblichkeit, Naturhaushalt oder nachteilige Auswirkungen auf, deren Untersuchung und Konkretisierung sich am besten anhand von Beispielen wie den gentechnisch veränderten Organismen (GVOs) und ihren noch vielfach unbekannten nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt verdeutlichen lässt. So ging z. B. die Juristin Frau Krug in ihrer Dissertation „Gentechnikrecht und Umwelt – Zum Begriff und den Freisetzungsvoraussetzungen des gentechnisch veränderten Organismus“ der Frage nach, wie das Gesetz zur Regelung der Gentechnik den bestehenden widerstreitenden Positionen Rechnung trägt – den möglicherweise gefährdeten Rechtsgütern einerseits und dem wissenschaftlichen Erkenntnisinteresse sowie den daraus resultierenden Chancen andererseits.

5 Konkretisierung von Rechtsbegriffen und von Fachtermini

Der interdisziplinäre Ansatz der GVOs ermöglichte außerdem eine nähere Konkretisierung der im Gesetz verwendeten naturwissenschaftlichen Fachtermini. Aus dem gleichen Problemkreis untersucht die Naturwissenschaftlerin Frau Weimann in ihrer Arbeit „Gentechnisch veränderte Organismen und ihre Auswirkungen auf die Umwelt im Hinblick auf GenTG und BNatSchG: Beiträge für ein Monitoring- und Bewertungssystem“ in erster Linie, wie es überhaupt möglich ist, die unbekannten und nicht vorhersehbaren nachteiligen Wirkungen von GVO auf die Umwelt im Rahmen eines Monitorings zu erfassen, um daraus Erkenntnisse für die Bewertung dieser Wirkungen abzuleiten. Da sie ebenso die fachfremde, in diesem Fall juristische Seite, mitbetrachten muss, konnte sie zunächst bestehende Lücken – bei den gesetzlichen Vorgaben sowie im Bereich der behördlichen Zuständigkeiten – für ein Monitoring herausarbeiten, was sowohl zur Konkretisierung als auch zur Beantwortung der o. g. Kernfrage ihrer Arbeit wesentlich beiträgt.

Diese Beispiele zeigen nicht nur, dass Juristen und Naturwissenschaftler aus ihrer jeweiligen Fachsicht ähnliche Problemfelder untersuchen, sondern auch, dass die Interdisziplinarität ein wichtiger Aspekt jeder einzelnen Arbeit ist. Das bedeutet, dass die Kollegiatinnen und Kollegiaten bereit und in der Lage sein müssen, sich über ihr eigenes Fachgebiet hinaus fortzubilden und einen interdisziplinären Dialog zu führen. Dazu sind sie sowohl durch die strukturellen Vorgaben für ihre Dissertationen als auch durch das promotionsbegleitende Studienprogramm, das grundlegende Kenntnisse über die jeweils andere Fachrichtung als Basis für den angesprochenen interdisziplinären Dialog vermittelt, aufgefordert. Hierzu werden sowohl kollegspezifische Veranstaltungen angeboten als auch Workshops mit unterschiedlichen Themen durchgeführt; sie werden von Experten begleitet, die von außerhalb der Universität Trier kommen.

6 Erste Ergebnisse

Derzeit sind gerade einige Arbeiten der ersten Phase des Kollegs abgeschlossen worden bzw. stehen kurz vor Abschluss. Die ersten Ergebnisse zeigen, dass die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Natur- und Rechtswissenschaftlern von großem Nutzen ist und dass sich eine Vielzahl neuer Erkenntnisse aus den durchgeführten Arbeiten auf dem Gebiet des integrierten Umweltschutzes ableiten lassen. Teilweise ergibt sich hierbei, dass die mit den verwendeten Rechtsbegriffen verbundenen juristischen Anforderungen und Ansprüche an die Naturwissenschaften in einzelnen Bereichen des integrierten Umweltschutzes nicht oder nur schwer erfüllbar sind; dem könnte durch begriffliche Veränderungen Rechnung getragen werden. Es stellt sich auch hier und da heraus, dass es einer stärkeren Anpassung der Normen an die Dynamik der Ökosysteme bedarf. Teilweise sind diese Ergebnisse bereits publiziert.

Über die weitere Entwicklung des Graduiertenkollegs wird auf der Homepage informiert: http://www.uni-trier.de/index.php?id=7279.

Literatur

  • Hendler R (2010) Rechts- und naturwissenschaftliche Kooperation im Umweltrecht am Beispiel des Chemikalien- und Naturschutzrechts. Umweltwiss Schadst Forsch 22(2), DOI 10.1007/s12302-010-0122-9

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Verantwortlicher Herausgeber: Klaus Fischer

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Klein, R. Das Graduiertenkolleg „Verbesserung von Normsetzung und Normanwendung im integrierten Umweltschutz durch naturwissenschaftliche Kooperation“ an der Universität Trier. Environ Sci Eur 22, 91–93 (2010). https://doi.org/10.1007/s12302-010-0117-6

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