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  • REGULATORISCHE ÖKOTOXIKOLOGIE • BEITRAGSREIHE
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Einstufung und Kennzeichnung: das Instrumentarium von GHS und REACH für das Risikomanagement

Classification and labeling: instruments of risk communication and risk management introduced by GHS and REACH

Zusammenfassung

Für einen sicheren Umgang mit Chemikalien ist es notwendig, die Risiken durch verschiedene Anwendungen zu identifizieren. Erst dann können gegebenenfalls vorhandene schädliche Auswirkungen auf Mensch und Umwelt durch geeignete Maßnahmen reduziert werden. Eine wesentliche Grundlage der Bewertung bilden intrinsische Stoffeigenschaften und ihre Identifizierung. Umfassende Expositionsbetrachtungen folgen. REACH und GHS liefern neue Instrumente, die durch höhere Anforderungen an Informationsqualität und Transparenz sowie Harmonisierung dazu beitragen können, Risikomanagementmaßnahmen (RMM) zu optimieren. Mit dem Inkrafttreten der CLP-Verordnung zur Umsetzung des GHS in der EU am 20. 1. 2009 ist die im Weißbuch zur Europäischen Chemikalienpolitik 2001 vorgeschlagene Neuordnung des Chemikalienrechts auf der regulatorischen Ebene abgeschlossen.

Der vorliegende Beitrag zeigt die bisherige Entwicklung von der ersten Richtlinie zur Regelung des Kennzeichnungsrechts von Chemikalien über die Etablierung von Anmelde- und Prüfverfahren bis hin zu den durch die REACH- und die CLP-Verordnung hinzugekommenen Instrumenten der Gefahrenkommunikation und zum Risikomanagement auf.

Abstract

For the safe use of chemicals it is necessary to identify risks in different fields of application. Not until then harmful effects to man and the environment can possibly be reduced by adequate measures. Here the identification of intrinsic properties of chemicals is an important fundamental for evaluation. Broad examination of exposition follows. REACH and GHS deliver new instruments which, due to their requirements on information quality and transparency as well as on harmonization, contribute to the improvement of risk management measures (RMM). With the coming into force of the CLP-regulation and the implementation of the GHS within the EU on 20. 1. 2009, as suggested in the white book on European Chemicals policy in 2001, the new system of European chemical law has been completed at a regulatory level.

This article shows the development so far from the first directive on the regulation on the labeling of chemicals, to the establishment of application and test procedures, and then to the instruments of risk communication and risk management introduced by REACH and the CLP-regulation.

1 Gefahrenkommunikation und Entwicklung des Stoffrechts der Europäischen Union

1.1 Einstufung und Kennzeichnung: erste Schritte

Im Jahr 1967 legte die EU mit der Richtlinie 67/548/EWG die Grundlage für das gemeinschaftliche Einstufungs- und Kennzeichnungsrecht (Smeets 1983). Die Grundidee war einfach und wirkungsvoll: Gefährliche Eigenschaften von Chemikalien werden durch eine Kennzeichnung für den Anwender sichtbar. Diese 1967 in Kraft getretene „Stoffrichtlinie“ kann als erste gemeinschaftliche Richtlinie der EU im Bereich Umwelt betrachtet werden.

Mit der Stoffrichtlinie (67/548/EWG) – und später mit der Zubereitungsrichtlinie (88/379/EWG; ersetzt durch 1999/45/EG) – verfolgte die EU-Kommission primär das Ziel einer Harmonisierung der innerstaatlichen Vorschriften zu Einstufung und Kennzeichnung. Durch die Kennzeichnung und später die Berücksichtigung der Einstufung in anderen gesetzlichen Regelungen sollten Bevölkerung, Verbraucher, Arbeitnehmer und Umwelt vor gefährlichen Stoffen und ZubereitungenFootnote 1 geschützt werden. In den vergangenen ca. 40 Jahren wurden die Richtlinien wie folgt weiter entwickelt:

Die ursprüngliche Stoffrichtlinie enthielt als Anhang I eine Liste mit rechtsverbindlichen Einstufungen und Kennzeichnungen von Stoffen (sog. Legaleinstufungen). Die EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten schrieben den Anhang I kontinuierlich über Änderungsrichtlinien fort. Seit der 4. Änderung 1973 (RL 73/146/EWG) wird der Anhang I über Richtlinien zur Anpassung an den technischen Fortschritt (ATP = adaptation to technical progress) in einem vereinfachten Verfahren erweitert: insgesamt 31 Anpassungen in 35 Jahren – zuletzt mit der Richtlinie 2009/2/EG der Kommission vom 15. Januar 2009.

Mit der 6. Änderung 1979 (RL 79/831/EWG) erhielt die Stoffrichtlinie zwei wichtige neue Elemente für das Risikomanagement von Chemikalien: Für Neustoffe schuf die Gemeinschaft ein Anmeldesystem (Frank et al. 2007); für die Einstufung und Kennzeichnung ergänzte sie die Legaleinstufungen durch die Pflicht zur Selbsteinstufung. Dies verpflichtete InverkehrbringerFootnote 2, auch Stoffe, die nicht im Anhang I der RL 67/548/EWG gelistet waren, eigenverantwortlich auf der Basis der im Anhang VI genannten Prinzipien einzustufen.

1992 erfolgte die 7. Änderung (RL 92/32/EWG). Mit ihr nahmen EU-Kommission und Mitgliedstaaten die Einstufung und Kennzeichnung für umweltgefährliche Stoffe in die Stoffrichtlinie auf und ergänzten das Neustoffverfahren durch einheitliche Maßstäbe für die Chemikalienbewertung (Schauer und Quellmalz 1992).

1.2 Die Etablierung von Bewertungsverfahren im Chemikalienrecht

In den 1980er-Jahren integrierte der Rat der Europäischen Gemeinschaft mit dem Neustoffverfahren erstmalig ein Verfahren zur Anmeldung von Chemikalien in das Chemikalienrecht. Es ermöglichte eine behördliche Bewertung des Gefährlichkeitspotenzials von Stoffen durch Anmelde-, Prüfnachweis- und Mitteilungspflichten der Hersteller oder Einführer für Stoffe, die erstmalig ab September 1981 auf den Markt kamen. Das Neustoffverfahren verpflichtete Inverkehrbringer, die Informationen zu den Stoffeigenschaften systematisch zu erheben und einer behördlichen Bewertung zugänglich zu machen. Deutschland setzte das Neustoffverfahren mit Wirkung vom 1. 1. 1982 über das Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (ChemG) um (Frank et al. 2007).

Im Gegensatz dazu unterlagen die 99 % aller vermarkteten Chemikalien, die bereits vor September 1981 auf dem EG-Markt waren („Altstoffe“), keiner Anmeldepflicht (EU-Kommission 2001). Abhilfe schaffen sollte die EG-AltstoffVO. Sie verpflichtete die Unternehmen, die vorhandenen Informationen zu Altstoffen einer behördlichen Bewertung zuzuführen. Aufgeteilt auf vier Listen „prioritärer“ Altstoffe bewerteten die EU bzw. ihre Mitgliedstaaten von 1994 bis 2008 für 143 Stoffe die Risiken für Beschäftigte, Verbraucher und Umwelt.

1.3 Der Schritt von der reinen Gefahrenkommunikation zum Risikomanagement

Risiko beschreibt die Möglichkeit, dass aus einem Zustand, Umstand oder Vorgang ein Schaden für Mensch, Umwelt oder Sachgüter entstehen kann (Hungerbühler 1998). Die Risikovorsorge muss daher potenzielle Gefährdungen definieren, um sie durch geeignete Minderungsmaßnahmen einzudämmen, zu verhindern oder zu kontrollieren.

Dieser Vorsorgegedanke findet im ersten, elementaren Schritt zu einem „Management von Risiken“, der Einstufung von Chemikalien, keine Berücksichtigung. Hier stehen zunächst intrinsische Stoffeigenschaften im Mittelpunkt. Sind potenzielle Gefährdungen, die von Stoffen oder Gemischen ausgehen können, bestimmt, muss in einem zweiten Schritt eine kausale Beziehung zu den Konsequenzen hergestellt werden. Erst dann ist es möglich, Folgen zu schätzen und entsprechende Methoden zu entwickeln. Anschließend können Risikoklassen definiert werden, die zu Ablehnung, Zustimmung oder der Auflage von Minderungsmaßnahmen legitimieren (WBGU 1998).

Konkret schließt an die Bestimmung der gefährlichen Eigenschaften eines Stoffes die Expositionsbewertung an. Ist die Exposition eines Beschäftigten, eines Verbrauchers oder von Umweltkompartimenten bestimmt, kann das Risiko analysiert werden: Bei der Exposition gegenüber einem Stoff können Gefährdungen durch intrinsische Stoffeigenschaften ein Risiko darstellen und somit Minderungsmaßnahmen erforderlich machen. Diese Bewertung mit Ableitung von Risikominderungsmaßnahmen findet heute standardisiert im Arbeitsschutz (Gefahrstoffverordnung, RL 89/391/EWG), im Verbraucherschutz und im Einsatz von Chemikalien als Pestizid (RL 91/414/EWG, RL 98/8/EG) Anwendung.

Die Einstufung und Kennzeichnung als Instrument der Gefahrenkommunikation entstand zunächst im Arbeitsschutzrecht. Eingang in andere Bereiche, z. B. in das Umwelt- und Anlagenrecht, fand es erst in den 1990er-Jahren und wurde hier in seiner Funktion als Risikomanagementsystem „entdeckt“. Als Beispiel sei das Störfallrecht (Seveso II-RL 96/82/EG) genannt. In der Praxis liegt die Schwierigkeit der Anwendung des hier beschriebenen methodischen Ansatzes in der Datengrundlage. Sowohl GHS als auch REACH bieten Instrumente zur Optimierung.

2 Globale Harmonisierung von Einstufung und Kennzeichnung

2.1 Notwendigkeit, Entwicklung und Implementierung des GHS

„Chemikalien werden in der ganzen Welt hergestellt und gehandelt und ihre Gefahren sind überall dieselben. Daher sollte die Beschreibung der Gefahren ein und desselben Produkts nicht von Land zu Land unterschiedlich sein.“ Dieser Grundsatz aus der Begründung zum Vorschlag der CLP-Verordnung gilt für die Entwicklung des GHS auf globaler Ebene (United Nation 2007) und für die Implementierung des weltweiten Einstufungssystems in der EU. Die Harmonisierung von Einstufung und Kennzeichnung bietet eine Grundlage für einen weltweit sicheren Umgang mit Chemikalien und kann darüber hinaus positive Effekte auf das Risikomanagementsystem in anderen Rechtsgebieten entfalten. Das GHS dient der Harmonisierung der Einstufung und Kennzeichnung von Gefahrstoffen mit den Vorschriften aus dem Gefahrgutsektor. Es wird auch diskutiert, ob langfristig gesehen die Stofflisten zwischen beiden Systemen angeglichen werden können.

Die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (WSSD, Erdgipfel) begann 1992 diesen Grundgedanken umzusetzen und legte u. a. das Ziel fest, einen weltweit einheitlichen Standard für die Einstufung und Kennzeichnung von Gefahren, die von Chemikalien ausgehen, zu entwickeln (Kap. 19, Agenda 21).

Das Global Harmonisierte System (GHS) wurde in einem Verhandlungsprozess mit der UN ECE (United Nations Economic Commission for Europe) und der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) gestaltet. Das UN Sub-Committee of Experts on GHS (UN SCE GHS) entscheidet über die Fortentwicklung des sog. „purple book“. Dieses, auch als UN-GHS bekannte, Werk regelt die Kriterien für die Beurteilung intrinsischer Stoffeigenschaften von Chemikalien sowie deren Kennzeichnung und Verpackung. Der Prozess knüpft an die Entwicklung des sog. „orange book“ an, welches die Gefahreneinstufung und -kennzeichnung im Transportsektor bereits seit den 1960er-Jahren beschreibt.

Wenn einzelne Staaten oder Staatengemeinschaften GHS implementieren, sind sie nicht verpflichtet, das gesamte System zu übernehmen. Dennoch bietet der Standard eine gemeinsame „Sprachregelung“ und somit eine Grundlage für ein gemeinsames Verständnis zur Gefahrenkommunikation. Das „Baukastensystem“ ermöglicht prinzipiell die Implementierung von einzelnen Teilen des GHS. Dabei besteht aber eine Verpflichtung, die Endpunkte, deren Kriterien im GHS definiert sind, auch entsprechend ihrer GHS-Definition zu implementieren.

Es bleibt abzuwarten, ob das Baukastensystem einen Freiraum bietet, der einer sehr weitgehenden, weltweiten Harmonisierung entgegensteht. Andererseits kann langfristig gesehen die Harmonisierung durch das Erkennen von Vorteilen für Industrie, Verbraucher und Behörden erreicht werden.

2.2 Die Implementierung des GHS in der EU

Die Europäische Kommission schlug mit dem 2001 vorgelegten Weißbuch „Strategie für eine zukünftige Chemikalienpolitik“ (EU-Kommission 2001) die Implementierung des GHS als Teil der Neuordnung der Chemikalienpolitik vor. Im Sommer 2006 legten die EU-Generaldirektionen „Umwelt“ und „Industrie“ einen ersten Entwurf einer CLP-Verordnung vor. Nachdem das Europäische Parlament und der EU-Ministerrat den Kommissionsentwurf mit Änderungen annahmen, trat die Verordnung am 20. 1. 2009 in Kraft. Die neue Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (CLP-Verordnung) wird nach Ablauf der gestaffelten Übergangsfristen die Stoff- und die Zubereitungsrichtlinie (RL 67/548/EWG und RL 1999/45/EG) ablösen. Der Anhang VI der CLP-VO ersetzte am 20. 1. 2009 den Anhang I der RL 67/548/EWG. Die Kennzeichnung von Stoffen erfolgt ab 1. 12. 2010, für Gemische ab 1. 6. 2015 nach den Regeln der CLP-VO (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Übergangsfristen von Stoffen und Gemischen

Auch wenn das GHS weitgehend der Logik des bisherigen Einstufungs- und Kennzeichnungsrechts in der EU folgt, gibt es deutliche Änderungen bei der Einstufung der Gefahren durch physikalisch-chemische Stoffeigenschaften und der Gesundheitsgefahren. Demgegenüber wird die Einstufung von Umweltgefahren nur geringfügig geändert. Allerdings laufen derzeit noch Arbeiten zu einer weiteren Ausgestaltung des Einstufungssystems von Umweltgefahren.

Die Änderungen in den Einstufungskriterien wirken auch auf Rechtsbereiche, in denen Einstufung und Kennzeichnung Risikomanagementmaßnahmen auslösen. Zum Beispiel können durch die Verschiebung von Grenzwerten einzelne Stoffe aus den Regelungsbereichen ausgenommen werden oder neu hinzukommen; die Erweiterung des GHS auf neue Gefahrenendpunkte erfordert Entscheidungen darüber, welche und ob alle Klassen zukünftig auch in den anderen Rechtsbereichen Wirkung entfalten sollen.

3 REACH

Während auf globaler Ebene das GHS ein ganz zentraler Baustein für einen nachhaltigen Umgang mit Chemikalien ist, konzentrierte sich die Diskussion auf europäischer Ebene auch auf Themen der Bewertung und Anmeldung von Chemikalien.

Der Konstruktionsfehler des alten europäischen Chemikalienrechts, die Unterscheidung zwischen Alt- und Neustoffen mit der Privilegierung der Altstoffe, wurde immer mehr zum Hemmschuh. Während für die Neustoffe vollständige Grunddatensätze und damit auch belastbare Einstufungen und Kennzeichnungen vorliegen mussten, sah es bei den Altstoffen ernüchternd aus. 1998 stellte die EU-Kommission in einem Bericht fest, dass die Rechtsinstrumente für die Altstoffbewertung unzureichend sind (EU-Kommission 1998). Es fehlte z. B. an Pflichten zur Generierung von Stoffdaten. Lediglich vorhandene Daten mussten gemäß Altstoffverordnung zur Verfügung gestellt werden.

Der Rat beauftragte die Kommission deshalb 1999 mit der Entwicklung eines neuen Systems. 2001 legte die Kommission das Weißbuch „Strategie für eine zukünftige Chemikalienpolitik“ vor. 2003 begann das Gesetzgebungsverfahren für die REACH-Verordnung. Insbesondere durch eine Verbesserung der Daten- und Informationsgrundlage wird künftig wesentlich zu einer höheren Chemikaliensicherheit in der EU beigetragen. Wichtig ist auch, dass jeder Hersteller bzw. Importeur ab 10 Jahrestonnen eines Stoffes für diesen eine Stoffsicherheitsbeurteilung erstellen muss.

Teil der Registrierung sind Angaben zu Einstufung und Kennzeichnung, welche zusammen mit anderen Stoffdaten in ein öffentlich zugängliches Inventar fließen. Somit ist ein wesentlicher Schritt zu Transparenz und Datengrundlage getan.

Ab 10 Jahrestonnen müssen Registrierungspflichtige darüber hinaus eine Risikobewertung vorlegen. Dabei gelten Übergangsfristen für Altstoffe, die je nach Stoffmenge zwischen 30. 11. 2010 und 31. 5. 2018 enden.

Für besonders besorgniserregende Stoffe wie z. B. CMR-, PBT-, vPvB-StoffeFootnote 3 bieten das Zulassungs- und Beschränkungssystem wesentliche Elemente eines möglichst sicheren Chemikalienmanagements. Das Beschränkungssystem baut zunächst auf der alten Beschränkungsrichtlinie (76/769/EWG) auf, da diese als Anhang XVII in die REACH-Verordnung integriert und direkt wirksames Recht wurde.

4 Welche Instrumente stellen CLP- und REACH-VO für ein erfolgreiches Risikomanagement bereit?

Erstmalig in der EU wurde mit REACH ein einheitliches Einstufungs- und Kennzeichnungsverzeichnis vorgesehen. Das Verzeichnis führt die Europäische Chemikalienagentur in Helsinki und veröffentlicht es im Internet. Damit soll die Aktualität, die Qualität und die Verfügbarkeit von Selbsteinstufungen verbessert und ein transparenter Umgang ermöglicht werden. Erstmalig werden damit die Einstufungen von Stoffen umfassend für jeden zugänglich.

Die CLP-Verordnung übernimmt das Einstufungs- und Kennzeichnungsverzeichnis aus der REACH-Verordnung und greift das von der Stoffrichtlinie (67/548/EWG) etablierte Prinzip der harmonisierten Einstufung auf. Die aus dem Anhang I der Stoffrichtlinie harmonisierten Einstufungen wurden in den Anhang VI der CLP-Verordnung überführt. Fortan wird der Anhang VI durch neu als krebserzeugend, erbgutverändernd, fortpflanzungsgefährdend oder atemwegssensibilisierend identifizierte Stoffe erweitert. Für die übrigen Endpunkte soll das Einstufungs- und Kennzeichnungsverzeichnis die Einstufung ohne Legalbindung harmonisieren. Für Wirkstoffe in Bioziden und Pflanzenschutzmitteln ist ebenfalls eine vollständige Legaleinstufung vorgesehen. Im Einzelfall und mit Begründung der Notwendigkeit (z. B. bei widersprechenden Einstufungen durch mehrere Unternehmen) ist auch zukünftig darüber hinausgehend eine Legaleinstufung für Stoffe, welche andere Einstufungskriterien erfüllen, möglich.

Die REACH-Verordnung stellt die Datengenerierung für die Einstufung und Kennzeichnung durch die Prüfanforderungen der Anhänge VII bis X sicher. Diese Informationen werden für 30.000 bis 40.000 Stoffe bis 2018 eingereicht sein. Der geforderte Umfang der Datensätze hängt vom Mengenband (produzierte oder importierte Jahrestonnen) ab und beinhaltet grundlegende physikalisch-chemische, toxikologische und ökotoxikologische Daten. Die Tabelle 1 zeigt exemplarisch anhand der Umwelteinstufung auf, welche relevanten Daten hier gefordert sind. REACH fordert bei Nutzung von QSAR und anderen alternativen Instrumenten, die im Anhang XI der REACH-Verordnung aufgeführt sind, dass die Ergebnisse eine Einstufung und Kennzeichnung ermöglichen. Die Verfügbarkeit von Informationen zu intrinsischen Stoffeigenschaften schafft die wesentliche Grundlage für eine korrekte Einstufung und für ein einheitliches und wirkungsvolles Risikomanagement beim Einsatz von Chemikalien. Allerdings hat man erst für Stoffe > 100 t/Jahr alle für die Umwelteinstufung relevanten Daten. Aber schon mit dem Grunddatensatz bei > 1 t/Jahr ist eine Umwelteinstufung möglich. Der akute Fischtest kommt dann bei 10 t/Jahr dazu. Eine BCF-Studie wiederum ist erst ab > 100 t/Jahr gefordert.

Tabelle 1 Beispiel für die Datenanforderungen unter REACH: Umwelteinstufungen

Das Einstufungsergebnis wiederum ist eine der Basisinformationen für die risikobasierten Ansätze in REACH. So greifen verschiedene Anforderungen an den Registrierenden/Inverkehrbringer nur dann, wenn es sich um gefährliche Stoffe handelt. Diese werden durch die Einstufungskriterien nach RL 67/548/EWG und RL 1999/45/EG (zukünftig nach der CLP-Verordnung) definiert. Ein solcher Ansatz galt ja schon bisher für das Sicherheitsdatenblatt und gilt nun z. B. auch für die Expositionsanalyse im Rahmen des Stoffsicherheitsberichtes.

Durch CLP- und REACH-Verordnung werden eine bessere Datengrundlage und Information sowie mehr Transparenz und Harmonisierung zu einer zukünftig einheitlicheren und weiteren Risikokommunikation in anderen Bereichen führen. Beide Prozesse fördern somit ein erfolgreiches Risikomanagement.

5 Auswirkungen des Chemikalienrechts auf andere Rechtsgebiete

Die Neuordnung des Chemikalienrechts durch GHS- und REACH-Verordnung wirkt sich auch auf andere Rechtsgebiete aus. So beziehen sich Regelungen des Arbeitsschutzrechts und des Umweltrechts häufig auf gefährliche Stoffe und Zubereitungen i. S. der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG. Durch die Einführung der GHS-Kriterien kann es ggf. zu anderen Einstufungen kommen. Daher sind im Einzelfall Rechtsfolgen in angrenzenden Regelungsgebieten zu prüfen. REACH berücksichtigt ein integriertes Risikomanagement bei der Anwendung von Stoffen und stellt gleichzeitig eine Quelle für andere Rechtsgebiete in der EU dar. GHS wird darüber hinaus weltweit Einfluss auf das Risikomanagement in angrenzenden Bereichen entfalten. Die folgenden drei Beispiele sollen darstellen, wie sich die Instrumente von REACH und von GHS auf nebenstehende Regelungsbereiche auswirken können.

5.1 Freiwillige Umweltzeichen

Die Vergabe von Umweltzeichen, z. B. der Blaue Engel, ist u. a. nur möglich, wenn das Produkt in seiner Zusammensetzung bestimmte Gefährlichkeitsmerkmale (Einstufungen) nicht erfüllt. Durch das GHS werden zukünftig mehr Gefahrenklassen unterschieden; v. a. im Bereich der Gefahren durch physikalisch-chemische Stoffeigenschaften kommen neue Gefahrenmerkmale hinzu. In anderen Gefahrenklassen kommt es zu einer Verschiebung von Grenzwerten und so zu neuen Zuordnungen der Piktogramme. Ein prominentes Beispiel für die Verschiebung von Grenzwerten ist die akute Toxizität. Hier ist ggf. zu prüfen, ab welcher Gefahrenklasse ein Umweltzeichen nicht mehr vergeben werden kann. Das GHS bietet auch die Chance und Grundlage, die Vergabekriterien verschiedener europäischer Umweltzeichen zu harmonisieren. Insgesamt können die verbesserte Datengrundlage durch die harmonisierte Einstufung unter der CLP-Verordnung und die Datengenerierung unter REACH zu einer transparenten Entscheidungsfindung bei der Vergabe von Umweltzeichen beitragen.

5.2 Internationale Konventionen, z. B. PIC-Verfahren und Stockholmer Übereinkommen

Die Regelungsmechanismen des PIC-Verfahrens (prior-informed-consent) und der Stockholm-Konvention basieren auf Stofflisten. Entscheidungsgremien beraten über die Aufnahme einzelner Stoffe in die Listen. Das PIC-Verfahren soll den grenzüberschreitenden Transport besonders gefährlicher Stoffe besser kontrollieren. Die PIC-Liste umfasst derzeit 39 Stoffe, deren gefährliche Merkmale im Vordergrund stehen. Weltweit einheitliche Kriterien zur Einstufung von Gefahrenmerkmalen werden zukünftig die Entscheidungsprozesse zur Aufnahme von Stoffen in die Liste vereinfachen. Ähnliches gilt für die Stockholm-Konvention. Die Entscheidung, ob ein Stoff ein POP (persistent organic pollutant) ist, hängt jedoch von weiteren Merkmalen (Ferntransportpotenzial und Nachweis über den Ferntransport in entlegene Gebiete) ab, die nicht durch die GHS-Gefahrenmerkmale abgebildet werden. GHS wird hier den Entscheidungsprozess also nur teilweise unterstützen.

5.3 Abfall

Auch das europäische Abfallrecht bedient sich bei der Definition gefährlicher Abfälle teilweise der Prinzipien des Gefahrstoffrechts (Böhme 2002). Das „Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung“ nutzt das Gefahrgutrecht und nationale Regelungen. Hier bietet das GHS mit der Harmonisierung zwischen Gefahrgut- und Gefahrstoffrecht Chancen, die Umsetzung der bestehenden Regelungen zu vereinfachen.

Gefährliche Abfälle werden in Europa mit dem Europäischen Abfallverzeichnis bzw. durch die entsprechende nationale Umsetzung identifiziert. In Deutschland sind dies die Abfallverzeichnisverordnung (AVV) und die ergänzenden Vollzugshinweise. Das Europäische Abfallverzeichnis unterteilt ungefähr 800 Abfallarten nach Herkunft und Entstehungsprozess in 20 Hauptgruppen und ordnet jedem Abfall einen sechsstelligen Zahlencode zu. 405 Abfallarten sind als gefährlich eingestuft und durch einen Stern (*) hinter der Abfallschlüsselnummer gekennzeichnet. Daneben enthält das Europäische Abfallverzeichnis 172 sogenannte „Spiegeleinträge“ für Abfälle, deren Einstufung vom Gehalt gefährlicher Inhaltsstoffe oder Eigenschaften abhängt.

Die Zuordnung zu den Spiegeleinträgen erfolgt überwiegend durch die Prüfung, ob bestimmte gefahrstoffrechtliche Einstufungen zutreffen. Gefährlich ist z. B. ein Abfall, der ≥ 0,1 % sehr giftige Stoffe (T+ im Einstufungs- und Kennzeichnungsrecht) enthält. Die EU bereitet eine Weiterentwicklung des Europäischen Abfallverzeichnisses vor. Dabei wird auch überlegt, wie die Schnittstelle zur REACH-Verordnung und zur CLP-Verordnung ausgestaltet werden kann (Ökopol 2008). Es ist davon auszugehen, dass die REACH-Verordnung und die CLP-Verordnung gemeinsam eine sicherere Identifikation gefährlicher Eigenschaften von Stoffen ermöglichen. Dies erleichtert dann auch die Zuordnung von Abfällen zu den entsprechenden Spiegeleinträgen im Abfallverzeichnis. Das Abfallrecht muss nun festlegen, in welchem Umfang die Regelungen für Gemische aus der CLP-Verordnung auch für Abfälle genutzt werden sollen.

6 Zusammenfassung und Ausblick

Die Neuordnung des Chemikalienrechts in Europa führt zu weitreichenden Veränderungen: REACH kehrt die Darlegungspflicht bezüglich der sicheren Verwendung von Chemikalien um und führt zu einer weitreichenden Datengenerierung; GHS gestaltet die Einstufung und Gefahrenkommunikation durch Kennzeichnung weltweit einheitlich und die CLP-Verordnung erhöht die Transparenz der Einstufungen durch die entsprechenden Stofflisten. Der Nutzen dieser Instrumente für die Chemikaliensicherheit in der EU und weltweit wird deutlich bei Betrachtung der Entwicklungen der vergangenen 40 Jahre: Die Entwicklung reicht von einer reinen Gefahrenkommunikation hin zu Registrierungs- und Anmeldeverfahren und zum Risikomanagement in angrenzenden Rechtsbereichen. Die Instrumente der neuen Chemikalienpolitik bieten das Potenzial, das Risikomanagement in angrenzenden Regelungsbereichen, wie z. B. das Abfallrecht, die Vergabe von Umweltzeichen, den Arbeitsschutz oder internationale Übereinkommen, zu harmonisieren. Durch eine verbesserte Datenlage, transparente Kommunikation, harmonisierte Einstufungsvorschriften und Stofflisten tragen die neuen Instrumente zur Optimierung des sicheren Umgangs mit Chemikalien bei.

Notes

  1. Der Begriff Zubereitung wird mit der CLP-Verordnung durch den Begriff Gemisch ersetzt. In diesem Artikel werden beide Begriffe synonym verwendet.

  2. Inverkehrbringen: Entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe an Dritte oder Bereitstellung für Dritte. Die Einfuhr gilt als Inverkehrbringen (CLP-Verordnung).

  3. CMR = krebserregend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend; PBT = persistent, bioakkumulierbar und toxisch; vPvB = sehr persistent und sehr bioakkumulierbar.

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Koch, J., Tietjen, L. Einstufung und Kennzeichnung: das Instrumentarium von GHS und REACH für das Risikomanagement. Environ Sci Eur 22, 128–134 (2010). https://doi.org/10.1007/s12302-010-0116-7

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