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Moosmonitoring

Wider die Vernunft – zum Ende eines Programms effektiver Umweltdatenerhebung in Bund-Länder-Kooperation

1 Daten über die Akkumulation von Stoffen in der Umwelt: Bedarf für Umwelt- und Verbraucherschutz

Die WHO (2007) verweist auf die Unsicherheiten, wenn aus gemessenen Depositionsdaten (Cd, Hg, Pb) europaweite Aussagen über die Schwermetallbelastungen aufgrund atmosphärischer Deposition mit Modellierungen abgeleitet und umweltmedizinisch interpretiert werden. Hervorgehoben wird die toxikologische Relevanz der Schwermetallanreicherung, die trotz sinkender atmosphärischer Deposition weiter ansteige – nicht nur in den Böden, sondern auch in den Nahrungsketten. Die Cd- und Pb-Einträge durch atmosphärische Depositionen entsprechen noch immer denen durch Düngung und sind insbesondere aufgrund der Anreicherung human- und ökotoxikologisch relevant. Die ohnehin geringe räumliche Informationsdichte ist insbesondere dort auffällig, wo die höchsten Belastungen gasförmigen Quecksilbers vorkommen: in Mitteleuropa. Dies stellt aber ein generelles Problem bei der Gestaltung von Monitoringprogrammen dar.

Das wurde auch deutlich, als Anfang diesen Jahres bekannt wurde, dass der menschliche Körper fast dreimal empfindlicher auf Cadmium reagiert als bisher angenommen und die an den untersuchten Lebensmitteln mit den höchsten Werten aus den am stärksten belasteten Regionen stammen (EFSA 2009). Deshalb forderte die EFSA ein Biomonitoring zur Identifizierung der unterschiedlichen Belastungsregionen und reduzierte den Wert der tolerierbaren wöchentlichen Aufnahmemenge von Cadmium beim Menschen von 7 auf 2.5 µg/kg Körpergewicht pro Woche (Provisional Tolerable Weekly Intake, PTWI). Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) nehme die Berechnungen der EFSA (2009), „dass der Mensch um fast das Dreifache empfindlicher gegenüber der Aufnahme von Cadmium reagiert als bisher angenommen, sehr ernst.“ Das BMU „sieht Handlungsbedarf“ und arbeite an der „Herabsetzung bestehender Grenzwerte“ und der Cadmiumemissionen (Report München 2009). Eine Strategie, wie dies erreicht und kontrolliert werden soll, ist nicht bekannt.

2 Modelle brauchen festen, also empirischen Boden unter den Füßen

Fachleuten ist klar, dass es nicht ausreicht, den Ausstoß von Schadstoffen zu reduzieren. Vielmehr muss man zusätzlich überprüfen, ob die Reduktion der Emissionen auch zu einer Verringerung der Anreicherung emittierter Stoffe in den Umweltmedien und in den Nahrungsketten führt. Das einzige Umweltmessnetz, das dies für eine breite, toxikologisch wie naturschutzfachlich relevante Stoffpalette europaweit räumlich differenziert ermöglicht, das Moosmonitoring, wird in Deutschland entgegen einer Fülle vorgetragener fachlicher und umweltpolitischer Argumente vom Bund nicht mehr fortgesetzt. Die Argumente wurden von mehreren Fachbehörden auf Bundes- und Länderebene sowie von Expertengremien und einzelnen Fachleuten den zuständigen Bundesbehörden vorgetragen, jedoch wurden diese bei der Entscheidung nicht berücksichtigt. So wird Deutschland demnächst auf den Europakarten zur Anreicherung von Schwermetallen und Stickstoff weiß erscheinen. Positive Entwicklungen wie die drastische Reduzierung der Schwermetallanreicherungen in Moosen von 1990 bis 2000 bleiben dann ebenso verborgen wie der Anstieg der Metallbioakkumulation zwischen 2000 und 2005. Ungenutzt bleibt auch die Möglichkeit der dringend erforderlichen Optimierung der Depositionsmodellierungen, die bei Stickstoff in einigen Teilen Deutschlands um bis zu 300 % von den Messergebnissen abweichen (Mohr 1999) sowie weitgehend intransparent und ohne ausreichende Qualitätskontrolldaten veröffentlicht sind. Weitere eindrückliche Belege, dass die Entscheidung Deutschlands, das Moosmonitoring nicht weiter fortzuführen, ohne Rücksicht auf internationale Anforderungen erfolgte, stehen im Zusammenhang mit anderen europäischen Richtlinien, die in nationales Recht umgesetzt wurden wie z. B. die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH/Natura 2000) sowie REACH (Doyle und Heiß 2009; Whitfield und Strachan 2009).

3 Stoffanreicherungen spiegeln einen wichtigen Wirkungsaspekt

Die Entscheidung, das Moosmonitoring einzustellen, ist weder fachlich noch politisch stichhaltig begründet worden. Das Moosmonitoring liefert grundlegende Informationen für die Bewertung der Wirksamkeit umweltpolitischer Maßnahmen im Sinne der Genfer Luftreinhaltepolitik, der Biodiversitätsstrategie sowie der Stickstoffminderungsstrategie des Bundes. Das Bundeslandwirtschaftsministerium betrachtet die Beteiligung Deutschlands an dem International Cooperative Programme ICP Forests der Luftreinhaltekonvention der United Nations Economic Commission for Europe (UNECE) als verpflichtend. Die Aufgabe des Moosmonitorings im UNECE International Programme ICP Vegetation ist es, einen wichtigen Wirkungsaspekt des großräumigen, Staatengrenzen überschreitenden Transports von Luftverunreinigungen räumlich differenziert zu kartieren, nämlich die Anreicherung (Akkumulation) von atmosphärisch deponierten Schwermetallen und Stickstoff in der Moosbiomasse. Es ist international gesicherter Kenntnisstand und seit Jahrzehnten Lehrbuchwissen, dass diese Stoffe die Biodiversität maßgeblich beeinflussen können (Gisi et al. 1997; Smith 1981; Kandeler et al. 1996). Deshalb hat die Bundesregierung eine Strategie zur biologischen Vielfalt verabschiedet (BMU 2007), wozu sie sich durch die Ratifizierung des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD) verpflichtet hat (Art. 6 CBD). Darin wird – wie auch in der Stickstoffminderungsstrategie des UBA (2008) – festgestellt, dass flächendeckende diffuse Stoffeinträge auch in geringen Mengen zu nachteiligen Wirkungen, wie z. B. zum Verlust der biologischen Vielfalt erheblich beitragen, da es zur Anreicherung dieser Stoffe in den Ökosystemen kommt. Die Verringerung der Stoffeinträge auf ein langfristig verträgliches Niveau ist ein Ziel der deutschen Biodiversitätsstrategie und der Stickstoffminderungsstrategie. Ob dieses Ziel erreicht wird, kann nur durch ein engmaschiges Messnetz zur Erfassung der Biodiversität sowie der Stoffanreicherungen in der belebten Umwelt geprüft werden. Da die Anreicherung von Schwermetallen und Stickstoff in Lebewesen das Potenzial schädlicher Wirkungen wie z. B. die Verringerung der biologischen Vielfalt durch Schwermetalle und Stickstoff in sich birgt, hat die Europäische Kommission umfassende Vorgaben zur Erhebung und Auswertung von Umweltdaten und zur Erfolgskontrolle ihrer Schutzstrategien erlassen (FFH-RL, 92/43/EWG). Daran gemessen ermöglicht das UNECE Moosmonitoring eine wissenschaftlich fundierte Maßnahmenplanung, die den lokalen Bedingungen Rechnung trägt, ohne den Informationsbedarf für die internationale Erfolgskontrolle zu vernachlässigen. Insofern ist das Monitoring der Anreicherung von Schwermetallen und Stickstoff in Moosen essenziell für die Umsetzung von Biodiversitätsstrategien (Doyle und Heiß 2009). Mit diesem Erkenntnisstand übereinstimmend, sagt die deutsche Biodiversitätsstrategie zu, das Genfer Luftreinhalteabkommen (UNECE 1979) weiterzuentwickeln, das am Vorsorgeprinzip orientierte Chemikalienmanagement zu unterstützen und das UNECE Multikomponentenprotokoll umzusetzen (BMU 2007, S. 55, 80). Gemäß der Stickstoffminderungsstrategie des Bundes kommt es bei der Bewertung der Wirkungen diffuser Stoffeinträge wesentlich darauf an, die räumliche Differenzierung der Stickstoffanreicherungen in Schutzgütern wie der Vegetation zu erfassen und die bisherigen Schätzungen „durch Monitoring oder andere Verbesserungen der Methoden und Daten zu validieren“ (UBA 2008, S. 48).

Diesem Aspekt war der European Cooperation in Science and Technology Workshop Nitrogen and Natura 2000 (18. bis 20. Mai 2009, Brüssel) gewidmet (Whitfield und Strachan 2009). Ziel war es, bewährte Ansätze zur Ermittlung atmosphärischer Stickstoffeinträge in Natura-2000-Schutzgebieten im Hinblick auf umweltpolitische Handlungsoptionen zu analysieren und zu bewerten. Der Anlass des Workshops bezieht sich auf die Verpflichtung der EU-Mitgliedstaaten zur Erhaltung der Biodiversität (RL 92/43/EWG), da neben Schwermetalleinträgen auch hohe Stickstoffeinträge mit einer Verminderung der Artenvielfalt einhergehen. Gesucht wurde ein wissenschaftlich anerkannter europaweiter Ansatz, mit dem sich Auswirkungen von Stickstoffanreicherungen auf Natura-2000-Gebieten grenzüberschreitend ermitteln lassen. Wissenschaftler sowie Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten und der EU-Kommission empfehlen den EU-Mitgliedsstaaten eine enge Zusammenarbeit mit dem ICP Vegetation, um Moose als Indikatoren der Stickstoffanreicherung in Natura-2000-Gebieten zu verwenden (Whitfield und Strachan 2009). Die Anreicherung von Stickstoff im biologischen Material sei der erste Schritt zu einer Wirkung und ermögliche so das frühzeitige Erkennen potenzieller Spätfolgen (Eutrophierung, Versauerung, Verringerung der Biodiversität). Dies sei wichtig, da momentan zu beobachtende Veränderungen in terrestrischen Ökosystemen nicht nur auf derzeitige, sondern auch auf ehemals hohe Stickstoffeinträge zurückzuführen seien. Die Eignung von Moosen als Indikatoren für den atmosphärischen Stickstoffeintrag wird aufgrund der europaweiten Untersuchungen als nachgewiesen anerkannt (Zechmeister et al. 2008). In Natura-2000-Gebieten finden Moose in einigen Mitgliedsstaaten (z. B. Dänemark) als Anreicherungsindikatoren Verwendung. Es wurde festgestellt, dass das Moosmonitoring geeignet ist, die Qualität der über numerische Modelle berechneten, räumlich nicht hinreichend aussagekräftigen Karten von Depositionen und Critical Loads auf Grundlage qualitätsgesicherter Messwerte zu optimieren.

Anlässlich des COST-Workshops wurde am Beispiel des deutschen Moosmonitorings aufgezeigt, dass das Moosmonitoring in der Lage ist, die Schwermetall- und Stickstoffexposition für die 3492 FFH-Gebiete in Deutschland zu quantifizieren. Demnach lässt sich ein statistisch signifikanter Rückgang der Schwermetallanreicherungen zwischen 1990 und 2000 in den FFH-Gebieten nachweisen, zwischen 2000 und 2005 ein statistisch signifikanter Anstieg. Hierbei ist insbesondere der Anstieg der Chromanreicherungen auf das Niveau von 1990 bemerkenswert (Pesch und Schröder 2009a). Die mittlerweile räumlich stark ausgedünnten Depositionsmessnetze (z. B. Land Brandenburg 2003: zwölf Messstellen, von 2004–2009 keine Messstelle) haben diese auch in anderen europäischen Staaten im Moosmonitoring festgestellte Tendenz nicht erfasst. Ferner wurden diejenigen FFH-Gebiete Deutschlands identifiziert, in denen die Stickstoffanreicherung kritische Grenzwerte (z. B. das 98. Perzentil = 2,01 % N in der Moostrockenmasse) überschreitet. Sowohl die Metall- als auch die Stickstoffexposition konnte für die FFH-Gebiete naturräumlich und nach Bundesländern differenziert ausgewertet werden (Harmens et al. 2009). Damit wurde gezeigt, dass das Moosmonitoring ein Atmosphäre (Deposition) und Biosphäre (Anreicherung in Moosen) übergreifendes Programm der Langfristumweltbeobachtung ist; über drei räumliche und administrative Ebenen – Region (z. B. Bundesland oder Naturraum/FFH-Gebiet), Staat (z. B. Deutschland) und Kontinent (Europa) – stellt es harmonisierte, qualitätskontrollierte Daten zur Anreicherung bereit. Eine so breite Stoffpalette ist in keinem anderen Messnetz vorhanden. Sie umfasst (öko-)toxikologisch relevante Schwermetalle und Stickstoff zur Umweltüberwachung und die Wirksamkeitskontrolle umweltpolitischer Maßnahmen über ein INSPIREFootnote 1- und PortalUFootnote 2-konformes WebGISFootnote 3-Portal.

4 Korrelationen zwischen Landnutzung sowie Deposition und Anreicherung von Stoffen europaweit durch Moosmonitoring nachgewiesen

Den Wirkungsaspekt Akkumulation liefert das Moosmonitoring zusätzlich zu den Informationen, welche die Messnetze zur Erfassung atmosphärischer Deposition (Ablagerung, Eintrag, Exposition) von Luftinhaltsstoffen bereitstellen. Die in einem Lebewesen (Wirkort) vorhandene Anreicherung eines Stoffes bezeichnet man in der Toxikologie als Dosis, die mit physiologischen Wirkungen verknüpft ist und insofern das Schädigungspotenzial eines Stoffes beschreibt (Fränzle et al. 1995; Marquardt et al. 1997). Aufgrund der physikalischen Beziehungen zwischen atmosphärischer Deposition und der Bioakkumulation von Stoffen bestehen auch statistische Beziehungen (Korrelationen) zwischen Stoffkonzentrationen in den Depositionen und in der Biomasse. Diese Korrelationen lassen sich als Ursache-Wirkung-Beziehung interpretieren und ermöglichen eine Quellen-Senken-Allokation (Zechmeister et al. 2008): Eine ausgeprägte Stoffexposition ist in der Regel mit höheren Stoffanreicherungen verknüpft. Dies ist für Deutschland anlässlich eines UBA-Fachgespräches im Juli 2008 belegt und in einem Protokoll dokumentiert worden: Maximale signifikante Korrelationen zwischen Stickstoffkonzentrationen in Moosen und Depositionen betrugen für das jüngste verfügbare Depositionsdatenkollektiv des ICP Forests Level II aus dem Jahr 2000 rs = +0,6, für die Arsen- und Cadmiumdepositionen (UBA-Luftmessnetz, jüngstes verfügbares Datenkollektiv 2005) rs = +0,7 bzw. 1,0, für die Zinkbestandsdeposition rs = +0,6 und für die Blei-, Cadmium- und Freilanddeposition (ICP Forests Level II 1998–2000) rs = 0,5. Hierbei ist zu bedenken, dass die Orte der Depositionsmessung und der Moossammlung nicht identisch waren. Eine niedersächsische Untersuchung mit standortidentischen Untersuchungen der N-Gehalte in Kiefernnadeln, Moosen und Deposition zeigte: Die Proben von Pleurozium schreberi und Kiefernnadeln weisen einen statistisch signifikanten Zusammenhang auf (r2 = 0,75; p < 0,001), ebenso wie die N-Konzentrationen im Moos und die N-Konzentrationen im Niederschlagswasser (R2 = 0,81; p < 0,001). Die statistische Beziehung zwischen den N-Konzentrationen in den Moosproben und jährlichen N-Depositionsraten betrug R2 = 0,86 (p < 0,01), also wesentlich mehr als der Vergleich zwischen modellierter und gemessener (Mohr 1999). Es konnte nachgewiesen werden, dass die N-Akkumulation in Pleurozium schreberi statistisch hoch signifikant verknüpft ist mit den entsprechenden analytischen Werten, die für die Moosarten Scleropodium purum (R2 = 0,96), Hypnum jutlandicum (R2 = 0,72) und Eurhynchium praelongum (R2 = 0,96) erhoben wurden.

Mittlerweile wurden die korrelationsstatistischen Erkenntnisse durch den Zugang zu europaweiten Depositionsdaten und Informationen über die der Deposition vorgelagerten Emission erweitert (Stoffaustrag aus industriellen Quellen, ab dem Berichtsjahr 2007 vom Pollutant Release and Transfer Register, PRTR, und Landwirtschaft gemäß Corine Landcover, Keil et al. 2004). Auch hier ermöglicht es das Moosmonitoring, statistisch signifikante Zusammenhänge zwischen Emissionen (Ursache) und Anreicherung (Wirkung) herzustellen: Die in den Moosen akkumulierten Stoffe sind statistisch signifikant mit den EPER-Emissionsdaten korreliert, und in urbanisierten Räumen sind die Schwermetallanreicherungen in Moosen statistisch signifikant höher als in ländlichen Regionen, in denen die Stickstoffgehalte höher sind als in den urban-industriellen Räumen. Die Zusammenhänge mit der Landnutzung sind europaweit gültig, für Deutschland, für Bundesländer und einzelne Regionen wie Naturräume und FFH-Gebiete in ihnen (Bleeker et al. 2000; Pesch und Schröder 2009b). Entsprechende Fallstudien werden für das gesamte Gebiet Europas in den internationalen Fachzeitschriften Envirommental Science and Pollution Research in einer vom Arbeitskreis Umweltmonitoring der Fachgruppe Umweltchemie und Ökotoxikologie der GDCh herausgegebenen Beitragsserie sowie im Journal of Soils and Sediments, für das Gebiet Deutschlands sowie der Bundesländer Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen (Mohr et al. 2009), Nordrhein-Westfalen und Sachsen unter Beteiligung von Fachleuten aus dem Arbeitskreis Bioindikation und Wirkungsermittlung der Landesämter und -anstalten für Umweltschutz in der Fachzeitschrift Umweltwissenschaften und Schadstoff-Forschung veröffentlicht. Diese Arbeiten befinden sich derzeit in Begutachtung. Ferner wurden Befunde zum Gesundheitsstatus von Kindern wie beispielsweise Blei im Blut und Uran im Urin mit den entsprechenden Stoffkonzentrationen in Moosen statistisch verknüpft (Pesch et al. 2009; Schmidt et al. 2009). Das Moosmonitoring erfüllt mithin vergleichbare Aufgaben wie das Humanbiomonitoring (Kinderumweltsurvey und Umweltprobenbank) und sollte zukünftig mit diesem eng verknüpft werden (Markert et al. 2008).

5 Wiederanstieg der Metallanreicherungen in der Umwelt seit 2000 durch Moosmonitoring belegt

Das Moosmonitoring hat einen Anstieg der Anreicherung von Metallen zwischen 2000 und 2005 u. a. in Deutschland, Finnland, Österreich und der Schweiz registriert. Bei einer internationalen Tagung in Tallinn (06.–08. Mai 2009) wurde festgestellt, dass aus Richtung der Halbinsel Kola, wahrscheinlich aus einer Chrommine in Abhängigkeit von der vorherrschenden Windrichtung und der Wirtschaftslage, ein erhöhter Antransport von Chrom, aber auch Kupfer und Eisen festzustellen ist, der sich insbesondere auch in organischem Material zeigt (Streu, Blätter). Die Erhöhung beträgt 100 bis 200 %. Entsprechende Beobachtungen wurden auch aus Tschechien und Österreich berichtet. Dies passt sehr gut mit der Beobachtung des Moosmonitorings zusammen, wonach Chrom und andere Metalle seit dem Jahr 2000 zunehmen (Ergebnisse des Moosmonitorings 2005) (Šakalys et al. 2009). Es war internationaler Konsens, dass zukünftig Schlüsselparameter für die Metallanreicherung in biologischen Materialien intensiv beobachtet werden müssen. Hierbei ist der Zeithorizont zunächst bis 2050 zu verlegen, wegen der nicht mehr rückgängig zu machenden Anreicherung und der Überschreitung von ökotoxikologischen Schwellenwerten. Dies sei unabhängig von anderen Messprogrammen beispielsweise dem Co-operative Programme for Monitoring and Evaluation of the Long Range Transmission of Air Pollutants in Europe (EMEP) als Beitrag der Effektbeobachtung erforderlich.

Innerhalb Deutschlands ist besonders Mecklenburg-Vorpommern von dem Anstieg der Chromanreicherung betroffen, die über das Niveau von 1990, dem Beginn des Moosmonitorings, hinausgeht. Diese Ursache-Wirkung-Beziehung lässt sich bislang in Depositionsmessnetzen (UBA/EMEP, Bundesländer) nicht nachweisen, da die Depositionsmessungen zeitlich sehr hoch aufgelöst erfolgen (täglich, wöchentlich) und nicht über einen mehrjährigen Zeitraum integrieren. Die in den Depositionen niedrigen Konzentrationen im Messbereich nahe der analytischen Bestimmungs- bzw. Nachweisgrenze lassen sich statistisch schwerer absichern als solche in höheren Messbereichen, in denen die in Moosen akkumulierten Stoffe vorkommen. Hinzu kommt, dass Vergleiche von Luftemissions- und Immissionsdaten in Deutschland zeigen, dass die Immissionsdaten wenig zu den Emissionsdaten passen. Gegenteiliges wird für das europaweite EMEP-Messnetz berichtet (Pacyna et al. 2009). Hingegen zeigen die Stoffgehalte in Moosen statistisch signifikante Korrelationen zu Emissions- und Depositionsdaten, sodass zumindest für Deutschland eine Neubewertung der Immissionsdaten als Indikatoren für Luftqualität im Hinblick auf ihre Aussagekraft angezeigt ist. Dasselbe gilt für die zur Berechnung der Critical Loads verwendeten Depositionsdaten, die mit unterschiedlichen Sammlern erhoben werden. Seit Mitte der 1980er-Jahre ist bekannt, dass selbst in Sammlern eines Typs an einem Standort z. T. sehr unterschiedliche Messwerte erzielt werden (Ihle 2001; Klockow et al. 1985; Wilsnack 2000). Jüngste Untersuchungen belegen, dass beispielsweise Bergerhoff-Depositionssammler nur für die Depositionssammlung in urban-industriellen Gebieten mit hohen Raten überwiegend trockener Deposition geeignet sind und keinesfalls für die Erfassung des Stoffeintrags in Hintergrundgebieten (Aas et al. 2009). Insofern ist es fachlich bedenklich, den Schwermetallindikator der Länderinitiative Kernindikatoren (LIKI) aus den bislang nicht zusammengeführten Daten des 46 Hintergrundmessstellen umfassenden Bergerhoff-Sammlernetzes zu berechnen. Dies gilt umso mehr, als dieses Messnetz weder die Flächenproportionen der Bundesländer berücksichtigt noch naturräumlich repräsentativ ist (Pesch et al. 2008).

Die Korrelationen zwischen Emissionen bzw. Depositionen einerseits und Stoffkonzentrationen in Moosen andererseits erreichen aus elementaren physikalischen und biochemischen Gründen nur sehr selten Werte nahe 1. Dennoch kann man die räumlich sehr hoch aufgelöst in Moosen gemessenen Stoffkonzentrationen in Moosen anhand der korrelationsstatistisch und regressionsanalytisch beschreibbaren Beziehungen in Werte der räumlich nur sehr lückenhaft gemessenen Deposition umrechnen (Berg und Steinnes 1997) und so den international unstrittigen Schwachpunkt der Depositionsmodellierungen mindern, nämlich deren nicht hinreichende räumliche Aussagekraft. Die modellierten Depositionswerte, die in die Berechnung der Critical Loads eingehen, weichen für Blei, Cadmium und Quecksilber aus modelltechnischen Gründen um bis zu 50 % von den räumlich sehr lückenhaft und – in Deutschland – methodisch uneinheitlich vorliegenden Depositionsmesswerten ab. Hinzu kommen erhebliche Unsicherheiten bei den in die Modellierungen ebenfalls eingehenden EMEP-Emissionsdaten, die bis zu 30 % betragen können. Von daher sind auch die Critical Loads mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Fachleute der EMEP-Modellierungszentren sind überzeugt davon, dass diese durch die Einbeziehung der Daten aus dem Moosmonitoring nennenswert gemindert werden können. Hierfür werden von Deutschland fachliche Beiträge erwünscht (Beschluss Task Force ICP Vegetation Februar 2009). Dieser Erwartung entsprechend wurden Berechnungen durchgeführt und die Ergebnisse bei internationalen Fachzeitschriften (z. B. Environmental Science and Pollution Research) eingereicht. Die Ergebnisse des Moosmonitorings sind auch für das Bodenmonitoring von großem Interesse, denn zum einen gehen die in den Moosen zwischengespeicherten Stoffe nach Absterben der Moose in den Boden über und zum anderen fehlt es in dem Bodenmonitoringmessnetz an einer breiten Palette deponierter Stoffe. Für das europäische Bodenmonitoringmessnetz wurde berechnet, dass das Messnetz für eine repräsentative Erfassung der drei im EMEP-Messnetz – dies ist in Deutschland identisch mit dem UBA-Messnetz – gemessenen Schwermetalle Blei, Cadmium und Quecksilber um 97 + 245 + 154 = 496 Messstellen erweitert werden müsste, in Bezug auf weitere chemische Stoffe um insgesamt 4100 (Morvan et al. 2008). Anstatt das Bodenmonitoring derart auszuweiten, sollte versucht werden, durch Verknüpfung des rund 7000 Standorte umfassenden Moosmonitoringmessnetzes mit dem Bodenmonitoringmessnetz Synergiepotenziale zu ermitteln.

Notes

  1. Infrastructure for Spatial Information in the European Community (INSPIRE) (http://inspire.jrc.ec.europa.eu/).

  2. Umweltportal Deutschland: http://www.portalu.de/.

  3. Geoinformationssysteme (GIS), deren Funktionen auf der Netzwerktechnologie (Internet, Intranet) basieren (gebräuchlich auch: GIS online, Internet-GIS, NetGIS, Distributed GIS).

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Kratz, W., Schröder, W. Moosmonitoring. Environ Sci Eur 22, 1–6 (2010). https://doi.org/10.1007/s12302-009-0098-5

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