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  • GVO-MONITORING • BEITRAGSSERIE
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GVO-Pollenmonitoring zum Bt-Maisanbau im Bereich des NSG/FFH-Schutzgebietes Ruhlsdorfer Bruch

GMO-Pollenmonitoring in Respect to the Cultivation of Bt-Maize in the Vicinity of the Nature Reserve Ruhlsdorfer Bruch

Zusammenfassung

Ziel und Hintergrund Die Verordnung über die gute fachliche Praxis bei der Erzeugung gentechnisch veränderter Pflanzen (Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung (GenTPflEV 2008) sieht aus Vorsorgegründen Abstandsregelungen für den Anbau von gentechnisch verändertem Mais – Bt-Mais – zu konventionellem Maisanbau (150 m) sowie zu Biomaisanbau (300 m) vor, nicht jedoch zu Naturschutzgebieten. Ziel dieser Studie war es, zu prüfen, inwieweit Maispollen in das Schutzgebiet Ruhlsdorfer Bruch eindringen. In der Umgebung wird sowohl konventioneller als auch gentechnisch veränderter Mais der Sorte Bt-MON 810 angebaut. Die Untersuchungen sollen dazu dienen, geeignete Sicherheitsabstände für den Anbau von Bt-Mais im Hinblick auf den nachhaltigen Schutz von Nichtzielorganismen (NZO) im Ruhlsdorfer Bruch zu begründen.

Material und Methoden Die Erfassung der Maispollenexposition im Ruhlsdorfer Bruch erfolgte im Juli und August 2007 an drei Standortbereichen im FFH-Gebiet bzw. in dessen Nachbarschaft unter Verwendung von zwölf technischen und drei biologischen Pollensammlern ( je zwei Bienenvölker). Mit dem technischen Sammler Sigma-2/PMF wird die Maispollenimmission am Messpunkt über den Blühzeitraum erfasst. Sie ist in erster Linie von Wind und Topografie abhängig und gibt Auskunft über den tatsächlichen Eintrag, den Maispollenfluss und die Maispollendeposition am Ort des Pollensammlers. Der technische Sammler indiziert damit die Exposition am Messort. Die Honigbienen durchstreifen Areale und sind somit Flächensammler. Als solche geben sie Auskunft über die blühenden Pflanzen in einem bestimmten Sammelbereich und dienen als Indikator für die Exposition von umherstreifenden NZO. Zudem werden die biologischen Präferenzen bei der Sammlung erfasst, während der technische Sammler keine artspezifische Selektion vornimmt. Somit ergänzen sich beide Sammler in ihrer Aussagekraft. Die Pollenproben wurden mikroskopisch bestimmt, quantitativ ausgezählt und die Pollen-DNA anhand von PCR-Verfahren auf ihren GVO-Anteil hin analysiert.

Ergebnisse An allen Messstandorten im Ruhlsdorfer Bruch wurden Maispolleneinträge festgestellt. Die Pollendepositionen erreichten Werte von 1,75 Mio. Maispollen/m² im Nahbereich. An dem 120 m entfernten, mitten im Schutzgebiet gelegenen Standort, wurden noch 99.000 Maispollen/m² nachgewiesen. Bei 1.000 m Abstand ist im Mittel noch mit 28.000 Maispollen/m² zu rechnen. Die Ergebnisse der mikroskopischen Pollenanalyse der Bienenhöschen belegen, dass die Bienen an allen drei Standorten Maispollen sammeln. Wenngleich Mais nicht die Haupttracht darstellt, ergaben sich aufgrund der großen Sammelleistung der Bienen über den Blühzeitraum erhebliche Mengen an Maispollen, die eingetragen wurden. Der molekularbiologische Nachweis von Pollen-DNA mit quantitativer Polymerase-Kettenreaktion (PCR) konnte in den Freilandproben sowohl aus der technischen als auch der biologischen Pollensammlung von zwei unabhängigen Laboren mit übereinstimmenden Ergebnissen geführt werden. Die Ergebnisse aus diesen qualitätsgesicherten Analysen belegen eindeutig, dass unter den Anbaubedingungen von 2007 ein Eintrag von Bt-Maispollen in das Schutzgebiet Ruhlsdorfer Bruch bestanden hat.

Diskussion Die Maispollendeposition im Ruhlsdorfer Bruch zeigt einen ähnlichen Abstandstrend wie überregionale Erhebungen, die andernorts über mehrere Jahre mit derselben Methode erfolgten. Allerdings sind die Polleneinträge in das Ruhlsdorfer Bruch im Mittel überdurchschnittlich. Mögliche Gründe dafür können die Größe der Maisfelder (> 10 ha), die geografische Anordnung zwischen Maisfeldern und Schutzgebiet (Windrichtung, tieferes Bruch, Thermik) sowie Witterung und Maisblüte im Untersuchungszeitraum Juli und August 2007 sein. Nach der statistischen Auswertung ist ein Abstand von 1.000 m notwendig, um mit einer 90-prozentigen Wahrscheinlichkeit Depositionen über 100.000 Maispollen/m² auszuschließen.

Schlussfolgerungen Die Ergebnisse aus dieser Untersuchung belegen, dass unter den Anbau- und Witterungsbedingungen von 2007 ein Eintrag von Bt-Maispollen in das Schutzgebiet erfolgt ist. Aus den Befunden dieser Studie und aus methodisch identischen Vergleichsuntersuchungen folgt unter Anwendung des Vorsorgegrundsatzes und des immissionsschutzrechtlichen Wirkungsbegriffs, dass ein Schutzabstand zwischen Bt-Maisanbau und den Schutzgebietsgrenzen erforderlich ist, um den GV-Maispolleneintrag und die Wahrscheinlichkeit negativer Effekte bei den zu schützenden NZO zu minimieren.

Empfehlungen Da für die im Schutzgebiet vorkommenden Schmetterlingsarten keine toxikologischen Untersuchungen vorliegen, ist aus Vorsorgegründen der höchste Schutzstandard, also die Vermeidung des Eintrages von Bt-Maispollen im Ruhlsdorfer Bruch, anzustreben. Dies bedeutet, die technisch höchstmöglichen Abstände für den Bt-Maisanbau anzustreben. Wir empfehlen einen Abstand von 1.000 m zur Schutzgebietsgrenze einzuhalten. Damit ließe sich erreichen, dass mit 90-prozentiger Sicherheit im Schutzgebiet ein Überschreiten der Pollendeposition von 100.000 Maispollen/m² (PMF) ausgeschlossen und die Exposition umherschweifender NZO minimiert werden kann.

Ausblick Über das Pollenmonitoring lässt sich die Einhaltung festgelegter Richtwerte empirisch überprüfen. Dies sollte an den Bereichen mit erwarteten maximalen Einträgen, wie an den zu Anbaufeldern gelegenen Schutzgebietsgrenzen oder besonders exponierten Stellen, erfolgen.

Abstract

Aim and Background Precautionary regulations for the production of genetically modified crops (Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung, GenTPflEV 2008) provide isolation distances for the cultivation of genetically modified maize – Bt-maize – in the vicinity of conventional maize cultivation (150 m) as well as of organic maize cultivation (300 m). Nature reserves are not included. The aim of this study was to investigate whether maize pollen of surrounding fields were dispersed in the Flora-Fauna-Habitat (FFH) Ruhlsdorfer Bruch. In the vicinity of the nature reserve Bt-maize species MON 810 as well as conventional maize was grown. The survey should provide appropriate isolation distances for the cultivation of Bt-maize with regard to sustainable protection of non-target-organisms (NTO) in the Ruhlsdorfer Bruch.

Materials and Methods The collection of maize pollen in the Ruhlsdorfer Bruch was carried out at three sampling sites in the FFH or rather in the immediate vicinity in July and August 2007 by means of twelve technical and three biological pollen samplers. The technical samplers Sigma-2/PMF enable point sampling. They are primarily influenced by wind and topography and provide information about the effective entry, the maize pollen flow and the maize pollen deposition at the location of the sampler. Honey bees roam over longer distances and are hence planar collectors. Thus, they also provide information about the plants blooming in a distinct area. Furthermore, the biological preferences during the collection are captured, whereas a technical sampler does not perform a species dependent selection. Hence, both the technical and the biological samplers complement one another in their scope of application. The pollen samples were identified microscopically, enumerated quantitatively, and the pollen-DNA was analysed by means of the PCR-method.

Results All monitoring sites at the Ruhlsdorfer Bruch revealed maize pollen entries. The pollen deposition reached values of 1.75 million maize pollen/m² in the close-up range. The monitoring sites located 120 m within the protected area still featured 99,000 maize pollen/m². As shown by the statistical analysis, at a distance of 1,000 m still 28,000 maize pollen/m² must be expected. The results of the microscopic pollen analysis of the pollen pellets proved that the bees collect maize pollen at all three sites. Although maize pollen is not the main food source the high collection efficiency of the bees resulted in large amounts of introduced pollen. The biomolecular proof of pollen-DNA in the field samples was corroborated by analogue results for both the technical and biological pollen sampling by two independent laboratories. The results of these quality controlled analyses gave unambiguous evidence that under the cultivation conditions in 2007 an entry of Bt-maize pollen into the FFH Ruhlsdorfer Bruch was existent.

Discussion The maize pollen deposition at the Ruhlsdorfer Bruch corresponds with additional supra-regional investigations which were conducted over several years with the same method. However, the pollen entries into the Ruhlsdorfer Bruch are above-average. Possible reasons are the size of the maize fields (> 10 ha), the geographical collocation between maize fields and protected area (lee location, through-shaped, thermal currents) as well as weather conditions and maize bloom during the sampling period July and August 2007. A distance of 1,000 m or more is necessary to avoid maize pollen deposition of more than 100,000/m² with a probability of 90 %.

Conclusions The results of this investigation prove an entry of Bt-maize pollen into the FFH under the cultivation and weather conditions in summer 2007. According to the results of this and related studies and considering precautionary principle and the effect terms defined in the Federal Immission Protection Law, it becomes clear that reasonable isolation distances between Bt-maize fields and protected areas have to be introduced in order to minimise the entry of GM-maize pollen and to prevent adverse effects on protected NTOs.

Recommendations Due to the fact that no toxicological investigations are available for the butterflies occurring in the FFH, highest protection standards should be implemented to avoid Bt-maize pollen entries into the Ruhlsdorfer Bruch. That implies that highest possible isolation distances for Bt-maize cultivation have to be considered, but at least a distance of 1,000 m is recommended. Following this a maize pollen deposition of more than 100,000 maize pollen/m² should be pevented with a certainty of 90 % as well as an exceeding exposure of foraging insects.

Outlook By means of the pollen monitoring it becomes possible to survey empirically defined limits of pollen exposure. This should be performed in the nature reserve area at sites of expected maximum exposure, e. g. at the boundaries of the FFH towards the maize fields and at exposed sites.

1 1 Hintergrund und Ziel

Für die Anbausaison 2008 weist das Standortregister beim Bundesamt für Verbraucherschutz (BVL) eine Fläche von etwa 4.350 Hektar mit gentechnisch verändertem Bt-Mais MON810 in Deutschland aus. 2007 wurden 2.650 Hektar mit Bt-Mais bewirtschaftet. Bei den gemeldeten Flächen liegt (trotz eines Rückgangs der Fläche von etwa 135 ha gegenüber 2007) weiterhin Brandenburg (2.026 ha) an der Spitze, vor Sachsen (1.040 ha), Mecklenburg-Vorpommern (878 ha), Sachsen-Anhalt (241 ha) und Bayern (117 ha).

Bei dem angebauten Mais handelt es sich um Sorten mit dem Event MON 810. Dieser Mais bildet in allen Pflanzenteilen von der Wurzel bis zum Korn das Bt-Toxin. Das Bodenbakterium Bacillus thuringiensis (Bt) wird seit langem als biologisches Schädlingsbekämpfungsmittel verwendet. Die Raupen des Maiszünslers sind Fraßschädlinge, die sich durch den Stängel der Maispflanze bohren. Je nach Bt-Variante differieren die transgenen Maissorten sowohl in der Dosis des Bt-Toxins als auch bei der Konzentrationsverteilung in der Pflanze (Lorch und Then 2007; Mertens und Schimpf 2006; Nguyen und Jehle 2007). Bei der gentechnisch veränderten Maissorte MON 810 wird ein vom natürlichen Toxin abgewandeltes künstliches Toxin (Cry1Ab) exprimiert, das auf Lepidopteren wirkt, zu denen auch der Zielorganismus, nämlich der zu bekämpfende Maiszünsler, gehört.

Schmetterlinge können nachweislich negativ von Bt-Mais beeinflusst werden (Dively et al. 2004; Felke und Langenbruch 2005; Losey et al. 1999; VDI 4330 Bl. 12 2007). Abseits der Anbauflächen gelten insbesondere Schmetterlingslarven durch Fraß des toxinhaltigen Pollens als gefährdet. Entscheidend für eine toxische Wirkung von Bt-Pollen in Schutzgebieten sind die Dispersion der Pollen und die Pollendeposition auf den Futterpflanzen der Larven. Dies ist unter anderem abhängig von Blühzeitpunkt und Blühzeitdauer der Maispflanzen, von den meteorologischen und standörtlichen Verhältnissen, von der Struktur der Futterpflanzen und vom Fraßverhalten der Larven (Lang 2004; Lang et al. 2004). Folglich ist nicht auszuschließen, dass der mit dem Wind von den Maisanbauflächen in das Schutzgebiet verdriftete oder von Honigbienen eingetragene Pollen eine Gefährdung der im Schutzgebiet vorkommenden Nichtzielorganismen darstellt. Der Begriff Nichtzielorganismen (NZO) umfasst sämtliche nicht pflanzliche Organismen, die sich von den vorsätzlich bekämpften Arten unterscheiden (Marquardt und Durka 2005).

Nach § 16b Absatz 1 des novellierten Gentechnikgesetzes (GenTGuaÄndG 2008) ist Vorsorge gegen wesentliche Beeinträchtigungen durch die Übertragung von Eigenschaften eines GVO zu treffen. Diese Vorsorgepflicht soll durch die Einhaltung der guten fachlichen Praxis erfüllt werden. § 16b Abs. 6 Gentechnikgesetz ermächtigt zur Regelung der Grundsätze der guten fachlichen Praxis. Die entsprechende Verordnung über die gute fachliche Praxis bei der Erzeugung gentechnisch veränderter Pflanzen (Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung, GenTPflEV 2008) soll die Vorsorgepflicht des Erzeugers von GVP handhabbar machen. Sie dient gleichzeitig der Umsetzung der Empfehlung der Europäischen Kommission vom 23. Juli 2003 mit Leitlinien für die Erarbeitung einzelstaatlicher Strategien und geeigneter Verfahren für die Koexistenz gentechnisch veränderter, konventioneller und ökologischer Kulturen. Zum Vorsorgeinstrumentarium der GenTPflEV gehören laut Anlage zu dieser Verordnung Abstandsregelungen von 150 Metern zu konventionellen und 300 Metern zu ökologisch bewirtschafteten Maisflächen. Die dabei im Vordergrund stehenden Aspekte sind ausschließlich die Ein- und Auskreuzungen in die benachbarten Maiskulturen, also rein landwirtschaftliche Aspekte. Schutzgebiete werden nicht als Nachbarn definiert, Ein- und Auskreuzungen in Wildverwandte oder der Eintrag und die Folgen für Schutzziele oder geschützte Arten in Schutzgebieten werden nicht berücksichtigt.

Nach europäischem Recht werden Zulassungen gentechnisch veränderter Pflanzen nach den neuen Zulassungsbestimmungen erst genehmigt, wenn ein Umweltbeobachtungsplan (Monitoring) vorgelegt wird. MON 810 wurde bereits vor Erlass der EU-Richtlinie ohne Auflagen genehmigt, ein Monitoringplan für MON 810 wurde damit erst nach Erneuerung der Zulassung für das Anbaujahr 2008 vorgelegt. Zur Erfüllung der europäischen Qualitätsstandards im Rahmen der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) müssen besondere Aspekte des Arten- und Biotopschutzes besonders differenziert berücksichtigt werden. In einem FFH-Gebiet gilt das Verschlechterungsverbot für die im Gebiet zu schützenden Arten. Sollte durch GVO-Anbau eine Beeinträchtigung eines NATURA 2000 Gebietes – das sind FFH- und Vogelschutzgebiete – drohen, so muss nach § 34a Bundesnaturschutzgesetz eine Verträglichkeitsprüfung durchgeführt werden.

Das Ruhlsdorfer Bruch in Brandenburg, das hier auf mögliche GV-Maispolleneinträge untersucht wurde, ist sowohl FFH-Gebiet als auch Naturschutzgebiet. Es wurde im Nationalparkprogramm der DDR 1990 als Naturschutzgebiet innerhalb des Naturparks Märkische Schweiz ausgewiesen (Abb. 1). Grund dafür waren insbesondere die sehr reiche Ausstattung des Gebietes mit extensiv genutzten und sehr artenreichen Feuchtwiesenbiotopen im Zentrum sowie die naturnahen Kalk- und Sandtrockenrasen in den Hangbereichen. Aufgrund der reichen Ausstattung mit FFH-Lebensräumen wurde das Schutzgebiet vom Land Brandenburg unter der Kennziffer DE 3450-302 als FFH-Gebiet an die Europäische Kommission gemeldet.

Abb. 1
figure 1

FFH-Gebiet Ruhlsdorfer Bruch mit 100 m-Schutzzone, angemeldete Bt-Maisanbauflächen in der unmittelbaren Umgebung sowie Lage der technischen und biologischen Pollensammler (Standortbereiche I–III) (Luftbild aus Google Earth). Die Feldgrenze am Standortbereich II wurde abweichend von der Anmeldung wie vorgefunden skizziert

Anfang der 1990er-Jahre wurde im Ruhlsdorfer Bruch eine Population der FFH-Art Lycaena dispar (Großer Feuerfalter) nachgewiesen. Dabei handelt es sich um eine der stabilsten Populationen dieser europaweit gefährdeten Art in Ostbrandenburg, die allerdings nur mit einer sehr geringen Individuendichte vorkommt. Lycaena dispar tritt im Gebiet in zwei Generationen von Anfang Juni bis Mitte Juli sowie von Anfang August bis Anfang September auf. Als Raupennahrungspflanze konnte im Gebiet bisher ausschließlich Rumex hydrolapatum (Flussampfer) nachgewiesen werden. Bevorzugt werden exponierte, einzeln stehende Pflanzen. Die Larvenphase liegt im Untersuchungsgebiet zwischen Ende Juni und Ende Juli und kann mit der Blütezeit von Mais auf angrenzenden Äckern zusammenfallen. Eine Ablagerung von Maispollen auf den Raupenfutterpflanzen im Ruhlsdorfer Bruch ist nicht auszuschließen, da die potenziellen Ackerflächen in Hauptwindrichtung (West-Nordwest) nur ca. 50 bis 150 m von den Larvalhabitaten von Lycaena dispar entfernt liegen. Somit lässt sich nicht ausschließen, dass die Larven beim Anbau von gentechnisch verändertem Mais auf den angrenzenden Ackerflächen den insektizid wirkenden Maispollen aufnehmen und verändert werden.

Euphydryas aurinia (Goldener Scheckenfalter) kommt ebenfalls in kleiner Zahl im Ruhlsdorfer Bruch vor. Die Larven dieser Art leben in Norddeutschland ausschließlich und monophag am Teufelsabbiss (Succisa pratense). Durch die optimal gesteuerten Pflegemaßnahmen der letzten Jahre auf den Feuchtwiesen im Ruhlsdorfer Bruch hat sich der ursprüngliche Restbestand an Teufelsabbiss im Gebiet gut stabilisiert und inzwischen abschnittsweise auch deutlich ausgebreitet. Damit sind wesentliche Voraussetzungen für eine Stabilisierung der bisher kleinen Population des Goldenen Scheckenfalters im Untersuchungsgebiet gegeben. Aufgrund der frühen Flugzeit der Falter im Mai und Juni beginnt die Larvalphase der Art bereits im Juli und endet nach der Überwinterung im April. So fällt auch bei dieser Art die Maisblüte auf einen Zeitabschnitt der Larvenentwicklung. Die Vorkommen der Futterpflanze liegen vergleichbar zu L. dispar auch in Hauptwindrichtung zu den Maisflächen. Zwischen der Ackerkante und den Larvalhabitaten des Goldenen Scheckenfalters liegen 50 bis 100 m, weshalb auch für diesen NZO Wirkungen durch insektizid wirkenden Maispollen nicht ausgeschlossen werden kann.

Die Hangbereiche des Ruhlsdorfer Bruchs verfügen in süd- bzw. südostexponierter Lage über Kalktrockenrasen und kalkreiche Sandtrockenrasen (Lebensraumtypen Nr. 6210 und 6120 nach Anhang I der FFH-Richtlinie). Da der Schutz von Lebensraumtypen sowohl die charakteristische Flora als auch die charakteristische Fauna umfasst, benötigen die Arten nicht notwendigerweise einen besonderen Schutzstatus. Diese naturnahen Trockenrasen sind Lebensraum einer Vielzahl gefährdeter Insektenarten nach der Roten Liste Brandenburgs und Deutschlands. Unter den Schmetterlingsarten sind insbesondere die stabilen Vorkommen von insgesamt neun Widderchenarten (Zygaenidae) von herausragender Bedeutung und in dieser Artenanhäufung einmalig für Norddeutschland. Biotope mit vergleichbaren Vorkommen so vieler Widderchenarten finden sich erst wieder an wenigen süddeutschen Plätzen bzw. in den Alpen. Der Entwicklungszyklus aller nachgewiesenen Widderchenarten vollzieht sich mit Ausnahme von Z. trifolii (Feuchtwiesenart) ausschließlich auf den Trockenrasen. Insbesondere das erste Larvenstadium einiger Arten fällt in den Zeitraum Juli/August und kann sich daher auch mit der Blütezeit von Mais auf angrenzenden Ackerflächen überschneiden. Die Ackerkante des derzeitigen Maisanbaus weist nur eine Distanz von 10 bis 50 m zu den wichtigsten Habitaten der meisten Widderchenarten auf. Das Gefährdungspotenzial durch insektizid wirkenden Maispollen für die vorkommenden Widderchenarten sowie für eine Reihe weiterer gefährdeter Insektenarten auf den basophilen Trockenrasen ist damit in erheblichem Maße gegeben. Unter den Insektenarten der Trockenrasen befinden sich im Gebiet keine Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie.

Seit 2005 wird im Untersuchungsgebiet MON 810 angebaut. Für das Jahr 2007 wurde in der Gemarkung Hohenstein, Gemeinde Strausberg, Landkreis Märkisches Oderland, der Anbau von Bt-Mais auf den Flurstücken 25/2 und 177 (Flur 2), 83 und 84 (Flur 3) sowie den Flurstücken 15/28a, b und 17 (Flur 6) angemeldet. Insgesamt wurden für 2007 rund 238 ha Bt-Mais MON810 im Umfeld des Schutzgebietes Ruhlsdorfer Bruch gemeldet. Davon lagen Bt-Mais-Anbauflächen mit zusammen 10 ha innerhalb der Grenzen des Schutzgebietes und in einem Abstand von rund 100 m weitere 18 ha Anbaufläche für Bt-Mais. Der Anteil von gentechnisch verändertem Mais im Umfeld des Schutzgebietes soll bis zu 50 %, im Mittel 20–25 %, betragen haben.

Die im öffentlich zugänglichen Standortregister (http://194.95.226.237/stareg_web/search.do?year=2007&ab=2007&d-16544-p=11) für 2007 dokumentierten angemeldeten Bt-Mais-Anbauflächen ermöglichen keine detailgenaue Abbildung der tatsächlichen Anbaufläche, d. h. die dort eingestellten Angaben stimmen nicht unbedingt mit der realen Anbausituation 2007 überein. So wurde nicht auf dem gesamten Flurstück 15/28 Bt-Mais angebaut. Die genaue Einsaatfläche von Bt-Mais ist nicht angegeben und war für die Untersuchungen somit nicht im Detail bekannt. Hinzu kommt, dass ein Resistenzmanagement beim Bt-Mais-Anbau vorgeschrieben ist, sodass mindestens 20 % der Fläche mit konventionellem Mais zu bebauen wäre (Refugienstrategie). Anhand des Standortregisters war eine zutreffende Lokalisierung der Bt-Maisfelder also tatsächlich allenfalls eingeschränkt möglich. Für diese Untersuchung war somit nur sicher bekannt, dass in der Umgebung des Schutzgebietes mehrere, nördlich und westlich gelegene Nachbarfelder mit Bt-Mais MON 810 bestellt wurden. Von diesen Feldern ist ein Eintrag in das Schutzgebiet denkbar. Der im Schutzgebiet eingesäte Bt-Mais musste kurz vor seiner Blüte auf Verfügung des Landrates umgebrochen werden. Der Anbau von Bt-Mais innerhalb des Schutzgebietes wurde untersagt und die Einhaltung eines Mindestabstandes von 100 m zum Schutzgebiet eingefordert. Nach gerichtlicher Bestätigung der Verfügung musste die besagte Parzelle geräumt werden. Abbildung 1 zeigt die Lage des Schutzgebiets, der angemeldeten Bt-Mais-Flurstücke und eine 100 m-Abstandszone entsprechend der Verfügung des Landkreises für den Bt-Maisanbau in 2007. Weiterhin sind in die Karte die Lage der technischen und biologischen Pollensammler eingetragen (Standortbereiche I–III, siehe Abschn. 2).

Ziel dieser Untersuchung war die Erfassung der Maispollenexposition über technische und biologische Pollensammler im Schutzgebiet Ruhlsdorfer Bruch. Mit den technischen Pollensammlern sollte untersucht werden, ob wesentliche Mengen an Maispollen von den Feldern durch Windtransport in das FFH-Gebiet gelangen und inwieweit dadurch Kernhabitate erreicht werden. Mit dem Indikator Honigbiene als biologische Pollensammlerin war zu prüfen, inwieweit eine Exposition für NZO aus dem Schutzgebiet besteht, die die Maisfelder aus dem Schutzgebiet heraus aktiv zur Pollenaufnahme anfliegen könnten. Da für den Bt-Maispollen weder abweichende physikalische Flug- noch Sammeleigenschaften anzunehmen sind (Aylor 2002), können diese Fragen anhand des insgesamt vorhandenen Maisanbaus und Messungen der Maispolleneinträge untersucht werden. Mit DNA-Analysen sollte ergänzend untersucht werden, ob in den Pollenproben aus 2007 Bt-Mais nachweisbar war.

Die hier durchgeführten Untersuchungen zur Maispollenexposition sollen empirische Grundlagen für die Festlegung geeigneter Sicherheitsabstände für den Anbau von Bt-Mais MON 810 im Hinblick auf den nachhaltigen Schutz von NZO in diesem Schutzgebiet, insbesondere den dort vorkommenden, schützenswerten Schmetterlingen, liefern. Die Sicherheitsabstände sollen ausschließen, dass eine von den Bt-Mais-Anbauflächen ausgehende Exposition und Gefährdung der im Schutzgebiet vorkommenden NZO besteht.

2 2 Material und Methoden

Im Schutzgebiet wurden zwei Kernbereiche (Standortbereiche I, II) ausgewählt, die aufgrund der dort liegenden Falterhabitate von vordringlichem Interesse waren (s. Abb. 1). Die Bereiche I und II wurden mit technischen und biologischen Pollensammlern bestückt. Die Lage der Sammlerstandorte sowie der Verlauf der nahe gelegenen Feldgrenzen wurden mit GPS aufgenommen. Der Abstand der feldnahen Sammler bis 30 m Entfernung vom Feldrand wurde zudem per Maßband ermittelt. Daten über den zeitlichen Verlauf des Maispollenfluges in 2007 standen von der Referenzstation Westerloge in Niedersachsen (unveröff. Daten, pers. Mittlg. R. Wachter) zur Verfügung. Mit den technischen Sammlern sollte für die Standortbereiche I und II geprüft werden, ob Maispolleneinträge im Schutzgebiet feststellbar sind und wie deren Verteilung vom Feldrand in das Gebiet hinein zu beobachten ist (Gradient). Hierzu wurden zwölf technische Pollensammler (Pollenmassenfilter PMF) auf vier Abstandsklassen (5 m; 20 m; 60 m; 120 m) verteilt. Da keine Vorinformationen zu den maximal zu erwartenden Pollenimmissionen vorlagen, wurden die näher am Feldrand gelegenen Abstandsklassen über Mehrpunktstichproben abgesichert: Im Standortbereich I wurden zwei Bienenvölker (B1) sowie sechs technische Pollensammler aufgestellt, vier davon im Nahbereich des Maisfeldes (in 5 bis 6 m Abstand) und zwei in größerem Abstand (26 m, 120 m). Im Standortbereich II wurden zwei Bienenvölker (B2) sowie sechs technische Pollensammler aufgestellt: vier Pollensammler in 18 bis 25 m Abstand vom Maisfeld und zwei in 61 m bzw. 63 m Abstand im tiefer gelegenen Bruch. Am Standortbereich II befand sich die auf behördliche Anordnung Ende Juli 2007 geräumte Bt-Mais-Anbaufläche. Die vier der Maisanbaufläche am nächsten gelegenen Pollensammler wurden vom Pächter vorzeitig entfernt (Messstellen 7–10, Tabelle 1). Für den biologischen Sammler wurde zudem ein außerhalb des Schutzgebietes, inmitten der Maisfelder liegender dritter Sammelbereich (Standortbereich III) mit zwei Völkern besetzt, um Aussagen zum maisspezifischen Sammelverhalten der Bienen zu gewinnen.

Tabelle 1 Maispollenfluss und -deposition aus der technischen Pollensammlung mit dem PMF

2.1 2.1 Technische Pollensammlung

Die technische Pollensammlung erfolgt auf Basis der VDI-Richtlinie 4330 Bl. 3 (2007) und dient der Erfassung des Polleneintrages am Messort. Bestimmt werden Pollenfluss- und -deposition, wobei dies für Mais über den PMF (Pollenmassenfilter) erfolgt (Hofmann 2007). Der horizontale Pollenfluss ist die Anzahl n der mit dem Wind über den Blühzeitraum T transportierten Pollen pro Flächeneinheit (m²). Die vertikale Pollendeposition entspricht der Anzahl der Pollen, die auf einer waagerechten Oberfläche (Boden, Pflanzen) durch Sedimentation abgeschieden werden. Es wurden zwölf Sammler während der Maispollenblüte vom 11. Juli bis zum 4. August 2007 exponiert. Proben von acht Sammlern aus den Standortbereichen I und II in den Abstandsklassen von 5 bis 120 m zum Maisfeldrand standen für quantitative Auswertungen zur Verfügung. Vier Sammler wurden vorzeitig von fremder Hand entfernt und konnten folglich nur für semiquantitative Auswertungen genutzt werden. Die Pollenproben wurden gemäß VDI 4330 Bl. 3 aufbereitet, mikroskopisch auf Pollenart und -anzahl analysiert, die Maispollen- und Gesamtpollenanzahl wurden quantifiziert und daraus konnten schließlich nach Hofmann (2007) Maispollenfluss und -deposition ermittelt werden.

2.2 2.2 PCR-Analysen der PMF-Pollen

Die mit den PMF gesammelten Pollenproben wurden für die molekularbiologische DNA-Analyse per Polymerase-Kettenreaktion (PCR) in den Standortbereichen entsprechend der Abstandsklassen zu Mischproben vereinigt. Mit Separationstechniken wurden die Proben gereinigt und der Maispollenanteil angereichert, um daraus die DNA zu isolieren. Anhand quantitativer PCR-Analysen (TaqMan) erfolgte in zwei akkreditierten, unabhängigen Analyselaboren, die große Erfahrung mit der Pollenmatrix besitzen (Genetic ID (Europe) AG, Impetus GmbH & Co. Bioscience KG), der Nachweis von Maisgenen und transgenen Bestandteilen (MON 810). Aus den Befunden konnte der prozentuale GVO-Anteil ermittelt werden.

2.3 2.3 Biologische Pollensammlung

2.3.1 2.3.1 Probenahme

Die biologische Pollensammlung durch Völker der Honigbiene (Apis mellifera L.) wurde nach den Grundsätzen der VDI-Richtlinie 4330 Bl. 4 (2006) in Kooperation mit dem Länderinstitut für Bienenkunde in Hohen Neuendorf, Brandenburg unter Mitwirkung von Imkern und Probenehmern vor Ort durchgeführt. Für die Zielpollenart Mais wurden die Pollenhöschen an den Hinterbeinen der Bienen als geeignete Sammelmatrix gewählt. Diese wurden mit einer handelsüblichen Pollenfalle (Bezugsquelle: Fa. Holtermann) als Fluglochvorsatz mit Rundlochkamm als Abstreifer gewonnen. Die Probenahmen erfolgten im Zeitraum vom 20. Juli bis 16. August 2007. Die Pollenfallen wurden jeweils montags, mittwochs und freitags für einen Sammeltag in der Zeit zwischen 05:00 bis 09:00 Uhr und von 18:00 bis 22.00 Uhr fängig gestellt. Somit standen Proben von elf Sammeltagen zur Verfügung, sodass für die drei Standorte insgesamt 33 Standortproben (Mischprobe beider Völker pro Standort) vorlagen.

Die Pollenhöschenproben der einzelnen Tagesfänge wurden in Kooperation mit dem Landesbieneninstitut in Celle mikroskopisch auf Maispollenanteile untersucht. Anschließend wurde für die standortrepräsentative Analyse die Gesamtprobe der Pollen pro Standort aufgelöst und eine repräsentative Unterprobe mikroskopisch quantitativ auf Mais- und Gesamtpollen gemäß VDI-RL 4330 Bl. 4 analysiert. Aus der Gesamtprobe wurden dann über Separationstechniken die Proben gereinigt und der Maispollenanteil von < 0,5 % bis auf > 15 % angereichert. Die Proben wurden dann erneut einer quantitativen mikroskopischen Bestimmung von Mais- und Gesamtpollen unterzogen.

2.3.2 2.3.2 PCR-Analysen der Pollenhöschenproben

Repräsentative Unterproben wurden von den beiden mit der Matrix erfahrenen, unabhängigen Laboren (Genetic ID (Europe) AG, Impetus GmbH & Co. Bioscience KG) auf Maisgene und transgene Bestandteile (MON 810) per quantitativer PCR (TaqMan) mehrfach unter Anwendung von Verdünnungsreihen analysiert und daraus wurde der prozentuale GVO-Anteil bestimmt.

3 3 Ergebnisse

3.1 3.1 Maispollenfluss und Maispollendeposition

Die Ergebnisse der technischen Pollensammlung gestatteten eine Abschätzung der Polleneinträge in das Schutzgebiet und damit der Exposition der dortigen NZO. Die erfasste Gesamtpollenanzahl in den PMF-Proben geht aus Tabelle 1 hervor und liegt zwischen 128.800 und 550.720 Pollen. Die Anzahl an Maispollen in den PMF-Proben variierte von 49.040 Maispollen in 5 m Entfernung vom Maisfeldrand bis 2.760 Maispollen in 120 m Entfernung. Dabei schwankte der Anteil von Maispollen in der Pollenprobe von 1,6 bis 12 %. Für den horizontalen Pollenmassenfluss im Blühzeitraum T ergaben sich daraus Werte von 17,514 Mio. Maispollen/m² in 5  m Entfernung bis 986.000 Maispollen/m² in 120 m Entfernung. Die Maispollendeposition als Maß für die Maispollen, die sich pro m² ebener Fläche absetzen, betrug zwischen 1,751 Mio. Maispollen/m² und 99.000 Maispollen/m². Da in toxikologischen Versuchen mit Schmetterlingslarven als Bezugsgröße die Maispollenanzahl pro cm² Fläche verwendet wird, enthält Tabelle 1 entsprechende Angaben. Felke und Langenbruch (2005) beobachteten bei ihren Fütterungsversuchen, dass alle Schmetterlingsraupen aktiv die Pollen zum Fraß aufsuchten und nicht nur als Beifutter zum Blattfraß aufnahmen. Als relevante Bezugsfläche ist nach Experteneinschätzung von Freilandbiologen (M. Dolek, A. Lang, mdl. Mittlg.) eine hohe Variabilität (Art, Entwicklungsstadium, Individuum) anzunehmen, die von mehreren 10 cm² bis mehrere 1.000 cm² reicht. Die Deposition pro Hektar wird häufig für Schutzgebietsflächen verwendet.

3.2 3.2 Flächenhafte Pollensammlung durch Honigbienen

Die Analyse der Pollensammlung durch Bienen erlaubt es abzuschätzen, inwieweit NZO betroffen sein können, die aktiv auch die Maispflanzen außerhalb der Schutzgebietsgrenzen anfliegen und dadurch Maispollen aufnehmen können. Die Pollen sammelnden Honigbienen dienen damit als Indikator für die Exposition Futter suchender NZO.

An allen drei Standorten wurden über den Messzeitraum an 11 von 25 Tagen Pollenhöschen gewonnen, sodass insgesamt 33 Tagesproben zur Auswertung vorlagen. Aus Tabelle 2 gehen die Tagesfänge der Pollenhöschen in Gramm für alle drei Standorte hervor. Um repräsentative Aussagen zu erlangen, wurden die Proben beider Völker pro Standort als Mischproben ausgewertet. Tabelle 2 enthält zusätzlich Angaben über den in den Tagesproben per Binokular und Mikroskop abgeschätzten prozentualen Anteil an Maispollen in den Bienenhöschen. Unten angegeben sind die Gesamtmenge der Pollenprobe pro Standort sowie der in der Gesamtprobe durch quantitative mikroskopische Analyse repräsentativ bestimmte prozentuale und absolute Maispollenanteil. Für die Schätzung der am Standort insgesamt von den Bienen gesammelten Maispollen wurde berücksichtigt, dass die Sammlung mit Abstreifern intermittierend erfolgte – in dieser Untersuchung an 11 von 25 Sammeltagen – und die Fänge entsprechend auf den Gesamtzeitraum umgerechnet wurden.

Tabelle 2 Menge der Pollenhöschen und Anteil an Maispollen in den Tagesfängen sowie in der Gesamtprobe für die drei Standortbereiche (zwei Völker pro Standort)

Die Ergebnisse zeigen, dass an allen Standorten von den Bienen Maispollen eingetragen werden. Standort III liegt inmitten der Agrarflächen mit Mais und charakterisiert einen maximal zu erwartenden Eintrag. Trotz des vorhandenen reichhaltigen Trachtangebots im Schutzgebiet fliegen die Bienen aktiv die Maispflanzen in der Umgebung an und sammeln den Maispollen. Hierbei ist eine dem Sammelverhalten der Bienen entsprechende hohe Variabilität sowohl zwischen den Tagesfängen als auch innerhalb einzelner Tagesproben festzustellen. Dies gilt auch für die hier nicht aufgeführten Einzelergebnisse der beiden Völker pro Standort. Beobachtet wurden sowohl Höschen, die nahezu ausschließlich Maispollen enthielten, als auch Höschen mit unterschiedlichen Maispollenbeimischungen. Der Verlauf der Tagesfänge weist darauf hin, dass Maispollen vor allem bei ungünstiger Witterung gesammelt wurden, wenn ansonsten wenig andere Tracht verfügbar war. Der maximale Anteil an Maispollen in den Bienenhöschen betrug ca. 20 % an Standort III am 26. 7. 2008 am Ende einer nasskalten Phase. In einigen Tagesfängen wurden auch keine Maispollen gefunden, insbesondere zu Mitte August hin nach Einsetzen einer Schönwetterperiode mit starker Zunahme der Pflanzenblüte. Dies spiegelt sich auch in der Pollenmenge der Tagesfänge wider. Aufgrund attraktiverer Trachten fiel der Maisanteil dann eher gering aus.

Die Ergebnisse der mikroskopischen Pollenanalyse der Bienenhöschen belegen, dass die Bienen an allen drei Standorten Maispollen sammeln. Wenngleich Mais nicht die Haupttracht darstellte, ergaben sich aufgrund der großen Sammelleistung der Bienen über den Blühzeitraum erhebliche Mengen an Maispollen, die eingetragen wurden.

3.3 3.3 Nachweis gentechnisch veränderter Maispollen im Schutzgebiet

Die Ergebnisse aus den PCR-Analysen zum Nachweis der DNA von Mais, transgenem Mais der Sorte MON 810 und des gentechnisch veränderten Anteils in den Maispolleneinträgen der biologischen und technischen Sammler sind in Tabelle 3 zusammenfassend dargestellt. In Tabelle 4 sind die PCR-Ergebnisse der beiden unabhängigen Labore zum GVO-Anteil im Einzelnen aufgeführt. Daraus geht die gute Übereinstimmung der PCR-Ergebnisse beider Labore hervor. Die Angaben zu den gentechnisch veränderten Anteilen beziehen sich auf die Maispollen und geben den transgenen Anteil MON 810 an. An allen untersuchten Standortbereichen wurde DNA von Mais und von der transgenen Bt-Maissorte MON 810 in erheblichen Anteilen in den Pollenproben festgestellt.

Tabelle 3 Ergebnisse der PCR-Analysen in den Poll enproben aus der technischen und biologischen Sammlung für die drei Standortbereiche
Tabelle  4 Ergebnisse der PCR-Analysen beider Labors zum GVO-Anteil in den Maispollenproben aus der technischen (Bioaerosolproben des PMF) und biologischen Pollensammlung (Pollenhöschen) im Ruhlsdorfer Bruch (RB) 2008

In den Bienenhöschen am Standortbereich I betrug der GVO-Anteil an Maispollen aus dem Bt-Maisanbau durchschnittlich 49 %. Ein mit dem in den Bienenhöschen vergleichbarer GVO-Anteil wurde mit einem Mittelwert von 31 % in den Bioaerosolproben der dort installierten technischen Sammler (PMF) festgestellt. Die höchsten Anteile wurden hierbei nicht im Nahbereich des angrenzenden Maisfelds (5 m: 9 %), sondern an den weiter vom Feldrand entfernten bzw. mitten im Schutzgebiet gelegenen (26 m: 40 %; 120 m: 44 %) Sammlern ermittelt. Dies deutet darauf hin, dass der Pollen von Bt-Mais weniger aus dem angrenzenden Feld als vielmehr aus weiter entfernten oder seitlich gelegenen Feldern stammt. Das unmittelbar angrenzende Maisfeld war auch nicht als Bt-Maisfeld angemeldet (s. Abb. 1).

Am Standortbereich II, der weiter östlich in der Nähe des geräumten Feldes liegt, wurden 11 % GVO-Anteil in den Maispollenproben der Bienenhöschen und 12 % in den PMF-Proben ermittelt. Die Betrachtung des Gradienten über die technischen Sammler weist für den 60 m vom Feldrand entfernten Bereich einen GVO-Anteil von 16 % aus. In 20 m Abstand wurden nur 7 % gemessen. Allerdings muss dieser Wert aufgrund der Unterbrechung mit Vorbehalten betrachtet werden und steht in Tabelle 3 in Klammern. Am Standort III, der nordwestlich vom Schutzgebiet inmitten des Agrarraumes lag, war der Maispollenanteil in den Pollenhöschenproben am höchsten. Der Anteil der Bt-Maispollen darin betrug 3 %. In gleicher Höhe wurde der Bt-Maispollenanteil in den PMF-Proben ermittelt.

4 4 Diskussion

Die Ergebnisse zu den Maispollendepositionen aus dieser Untersuchung lassen sich mit den Befunden aus Erhebungen in den Jahren 2001 bis 2006 vergleichen, die mit demselben, standardisierten Verfahren (VDI 4330 BL. 3) gewonnen wurden (Hofmann 2007). Somit liegt erstmals eine vergleichbare Datenbasis vor. Die Vergleichsdatenbasis umfasst unterschiedliche Feldgrößen, Windrichtungen sowie verschiedene Regionen und Anbaujahre. Abbildung 2 verdeutlicht, mit welchen Depositionsraten in Abhängigkeit vom Abstand zum nächstliegenden Maisfeld zu rechnen ist.

Abb. 2
figure 2

Einordnung der Messergebnisse aus dem Ruhlsdorfer Bruch von 2007 in den Regressionszusammenhang Maispollendeposition versus Abstand Maisfeld (Hofmann 2007, ergänzt)

Auf der Abszisse ist logarithmisch der Abstand zum nächstgelegenen Maisfeld in Meter aufgetragen. Die Messwerte umfassen hierbei einen Entfernungsbereich von 0,3 m (Abstand zur nächsten Maispflanze im Feld) bis 3.300 m. Die rechte logarithmische Ordinate gibt die Maispollendeposition als Anzahl Maispollen pro m² (Standardeinheit) an. In der linken Ordinate sind die Depositionen als Anzahl Maispollen pro cm² angegeben, was bei Fütterungsversuchen gebräuchlich ist. Die durchgezogene mittlere Linie im Diagramm gibt die statistisch mittlere Regressionsbeziehung von Maispollendeposition und Abstand zum Maisfeld wieder. Die Parameter der Beziehung sind rechts oben angegeben. Der Bezug ist hochsignifikant, der 95 %-Vertrauensbereich der Regressionsgeraden ist über die gepunkteten Linien angegeben. Die Vertrauensintervalle für Einzelmessungen sind durch die unterbrochenen Linien gekennzeichnet. Die runden Punkte zeigen die Basismesswerte aus den Jahren 2001 bis 2006 an (Hofmann 2007). Die Variation über dem Abstand wird wesentlich durch den Einfluss von Windrichtung, Topografie, Anbaufläche sowie Ausprägung der Maisblüte bedingt. Die Ergebnisse aus den Messungen im Ruhlsdorfer Bruch in 2007 wurden zum Vergleich als Dreiecke in das Diagramm eingefügt. Tabelle 5 enthält die aus der Regressionsanalyse abgeleiteten Erwartungswerte des Maispolleneintrags in Abhängigkeit von der Entfernung zur Pollenquelle.

Tabelle 5 Erwartungswerte der Beziehung von Maispollendeposition gegenüber Abstand zum nächstgelegenen Maisfeldrand (VI: Vertrauensintervall; Werte gerundet auf mindestens zwei signifikante Ziffern, a) Einheit: Pollen/m², b) Einheit: Pollen/cm²)

Die Ergebnisse zeigen, dass die Messwerte zur Maispollendeposition aus dem Ruhlsdorfer Bruch in 2007 einen ähnlichen Zusammenhang von Polleneintrag und Abstand zum Maisfeld aufweisen wie die überregionalen Erhebungen und sich entsprechend in die Regressionsbeziehung einfügen. Allerdings fallen hier die Depositionen im Mittel überdurchschnittlich aus. Mögliche Gründe dafür sind in der Größe der Maisfelder (> 10 ha), der geografischen Anordnung von Maisfeld und Schutzgebiet (Leelage, tieferes Bruch, Thermik) sowie dem Verlauf von Witterung und Maisblüte in 2007 zu suchen.

In die Sicherheitsbewertung von Bt-Mais floss die Annahme ein, dass Maispollen aufgrund seiner Schwere und Größe nur im unmittelbaren Nahbereich der Felder niedergehe, damit keine Exposition bestünde und damit auch keine adversen Wirkungen erwartet werden könnten. Die vorliegenden Messergebnisse belegen jedoch eindeutig, dass diese Annahme nicht zu halten ist, dass vielmehr Maispollen in erheblichen Mengen weiter transportiert werden und eine Exposition von NZO anzunehmen ist. Mehrere Autoren zeigten, dass die in der Literatur verbreitete Fehleinschätzung des Ferntransportes auf mangelnde Messdaten und fehlerhafte Annahmen bei der Ausbreitungsmodellierung zurückgeführt werden kann (Aylor et al. 2003; Hofmann et al. 2005; Loos et al. 2003; Yamamura 2004; Jarosz et al. 2003 und 2004). Insbesondere wurde die Wirkung von sommerlichen, thermisch bedingten Turbulenzen bei der Maispollenausbreitung bisher unterschätzt, neuere Arbeiten ergeben hingegen ein stimmiges Bild von Modellierung und Messung für den Fernbereich (Boehm et al. 2006).

Die Honigbienen dienten als Indikator für die Exposition Pollen sammelnder NZO, die aus dem Schutzgebiet heraus aktiv in die umliegenden Maisfelder ausschwärmen können. Die Ergebnisse bestätigen die gute Eignung der Honigbienen als Flächensammler. Im Gegensatz zum Punktsammler PMF, bei dem eine potenzielle, vom Wind abhängige Entfernungsbeziehung zur Sammelleistung besteht, wurde bei Honigbienen eine sigmoide Beziehung festgestellt. Hofmann et al. (2005) zeigten anhand von Honigproben für Rapspollen, dass ein GVO-Nachweis in einem Volk zu > 90 % bei Sammeldistanzen bis 500 m gelingt, zu 80 % bei 2 km und noch zu 50 % in 2,7 km Entfernung. Dies entspricht in etwa den typischen Sammeldistanzen nach Seeley (1985), der für den primären Sammelbereich eine Distanz bis ca. 500 m, für den sekundären oder wirtschaftlichen Sammelbereich 2–4 km und als tertiären Bereich 6–8 km, mit einer Repräsentanz < 5 %, angibt. Die Ergebnisse dieser Studie belegen eindeutig, dass auch NZO wie Bienen entsprechend Maispollen gesammelt und darin transgene Maispollen in erheblichen Anteilen nachweisbar sind. Am Standortbereich I, der einen Abstand von mindestens 200 m zum nächsten, westlich gelegenen, angemeldeten Bt-Maisfeld aufweist, wurde ein GVO-Anteil von 49 % in den Maispolleneinträgen festgestellt. Selbst am Standort II, der 400 m weiter östlich gelegen ist, wiesen die Maispollenproben noch einen GVO-Anteil von 11 % auf. Die Ergebnisse aus dem Ruhlsdorfer Bruch lassen sich damit gut mit Erkenntnissen zum Sammelverhalten der Honigbiene in Einklang bringen. Sie belegen die Notwendigkeit, bei der Festlegung von geeigneten Schutzabständen den Aspekt der Exposition durch Sammelflug umherschweifender NZO zu beachten.

Die Beeinträchtigung besonders geschützter Arten und Lebensräume ist insbesondere bei international bzw. in der EU geschützten Arten sowie Habitaten (NATURA 2000 – FFH-Gebiete sind Bestandteil dessen) von Bedeutung. Diesen Anforderungen wird das geltende Gentechnikrecht bisher nur eingeschränkt über die Anwendung des § 34a Bundesnaturschutzgesetz gerecht. Bei der Genehmigung von Freisetzungsanträgen wird im Allgemeinen durch die federführende Behörde (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, BVL) bei Entfernungen von weniger als 1.000 m vom Freisetzungsort zum FFH-Gebiet eine Umweltverträglichkeitsvorprüfung veranlasst. Doch welche Kriterien für eine mögliche Beeinträchtigung sogenannter NZO gelten, die dem kommerziellen GVO-Anbau in räumlicher Nähe ausgesetzt sind, wird in der Wissenschaft widersprüchlich diskutiert und lässt bisher viele Fragen offen (Felke und Langenbruch 2005; Marquard und Durka 2005; Schmidt und Schröder 2008). Besonders die Frage, ob und wie weit der Pollen fliegt, wird in der Literatur überwiegend unter dem landwirtschaftlichen Aspekt der Koexistenz untersucht. Die daraus abgeleiteten Abstandsempfehlungen stellen einen Kompromiss zwischen den nötigen Abständen und dem betriebswirtschaftlich Wünschenswerten für die Landwirtschaft mit gentechnisch veränderten Pflanzen dar.

In der Begründung des Mindestabstands gemäß Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung (GenTPflEV 2008) beruft sich der Verordnungsgeber auf zehn Studien zum Auskreuzungsverhalten von Mais. Demnach seien in einem Abstand von 50 m Auskreuzungsraten von unter 0,9 %, in der Regel sogar von unter 0,7 % (max. 0,76 %) auf. In einem Abstand von 100 m seien durchgängig Auskreuzungsraten von unter 0,5 % ermittelt worden. Einschränkend wird in der Begründung u. a. vermerkt, dass die vorliegenden Daten keine Differenzierung nach Größe und Zuschnitt der Felder ermöglichen und keine Angaben zu den meteorologischen Bedingungen enthalten, unter denen die Versuche vorgenommen wurden. Genau dies sind jedoch die zentralen Steuergrößen für die Windverdriftung von Pollen: Die Ausbreitung von Pollen wird neben der Quellstärke, die von der Anzahl der Pflanzen pro Flächeneinheit und von ihrer Phänologie bestimmt wird, in erster Linie durch Windrichtung, Windgeschwindigkeit, Turbulenzzustand und die von der vertikalen Temperaturverteilung abhängige Stabilität der Atmosphäre während der Blühperiode beeinflusst. Die Windrichtung bestimmt die Transportrichtung des Pollens und definiert so die potenziellen Expositionsgebiete. Bei einer konstanten Quellstärke beeinflusst die Windgeschwindigkeit sowohl die Geschwindigkeit als auch die Reichweite der Pollenausbreitung. Hohe Windgeschwindigkeiten führen dabei zu einer Verdünnung (spraying) der Pollenkonzentration, da dann der Anteil des Transportmediums Luft je überströmter Oberflächeneinheit entsprechend zunimmt (Oke 1987). Umso mehr erstaunt, dass die Festlegung des Mindestabstands in der Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung (GenTPflEV 2008) in dem Bewusstsein erfolgte, „dass die Erfahrungen mit dem Auskreuzungspotenzial von gentechnisch verändertem Mais unter Praxisbedingungen begrenzt sind und dass das Wissen über den Zusammenhang zwischen den natürlichen, insbesondere meteorologischen und geographischen Bedingungen des jeweiligen Standorts sowie Größe und Zuschnitt der jeweiligen Felder einerseits und den zu verzeichnenden Auskreuzungsraten andererseits lückenhaft ist. Deshalb wurde ein Abstandswert gewählt, der über dem aus den genannten Forschungsstudien ableitbaren Wert liegt. Damit soll insbesondere in der Anfangsphase des kommerziellen Anbaus von gentechnisch verändertem Mais sowohl dessen Erzeugern als auch den konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Nachbarn möglichst große Sicherheit vor wesentlichen Beeinträchtigungen und ihren möglichen Haftungsfolgen gegeben werden. Mit zunehmendem Erkenntnisfortschritt über das Auskreuzungsverhalten von gentechnisch verändertem Mais ist der Abstandswert zu überprüfen und ggf. zu ändern.“

Wenige, überwiegend jüngere Untersuchungen und auch methodische Neuentwicklungen und Standardisierungen geben Hinweise auf den Pollenflug unter ökologischen Gesichtspunkten (Hofmann et al. 2005). Im Vordergrund stehen dabei der Polleneintrag in benachbarte Areale und damit die potenzielle Wirkung auf NZO. Diese Untersuchungen der Exposition von NZO durch gentechnisch veränderten Pollen müssten durch ökotoxikologische Untersuchungen zur Wirkung der Exposition ergänzt werden. Bei der ökotoxikologischen Bewertung ist von einer hohen spezies- und individuenabhängigen Variation bei der Sensitivität im Hinblick auf toxische Wirkungen der Bt-Maispollen auszugehen. Die bislang durchgeführten Fütterungsversuche im Labor zeigen, dass Raupen bestimmter Schmetterlingsarten geschädigt werden können, wenn sie Bt-Pollen aufnehmen (Vogel 2005). Versuche mit Bt-Mais der Sorte Bt-176 belegen toxische Effekte für Schmetterlinge (Felke und Langenbruch 2005). Neuere Untersuchungen von Dively et al. (2004) weisen darauf hin, dass auch bei Bt 11 und MON 810 negative Wirkungen feststellbar sind. Obwohl vom Gesetzgeber eine spezifische Risikoprüfung für jedes GVO gefordert ist, sind fürBt-Mais MON 810 weder genaue Angaben zu Exprimierung und Toxingehalt im Pollen noch entsprechende Dosiswirkungsexperimente bekannt, über die ein Grenzwert für Bt-Maispollen der Sorte MON 810 sich wissenschaftlich begründen ließe. Hilfsweise müssen daher vorliegende Erkenntnisse zu anderen Sorten wie Bt-176 solange herangezogen werden, bis entsprechend fundierte Daten zum spezifischen GVO MON 810 vorliegen. Das Vorsorgeprinzip gebietet daher auch, bei besonders geschützten NZO wie z. B. den angeführten Schmetterlingen hohe Sicherheitsabstände einzuhalten. Felke und Langenbruch (2005) stellten bei Dosen von unter 10 Maispollen mit der Sorte Bt-176 bereits schädliche Wirkungen im Laborversuch auf Schmetterlingsraupen fest, bereits einzelne Pollen führten zu Verhaltensänderungen. Sie empfehlen für Bt-Maissorten einen Schutzabstand von 1.000 m für Naturschutzgebiete mit entsprechenden Faltervorkommen, für die keine spezifischen Toxizitätsdaten vorliegen. Dies ist beim Ruhlsdorfer Bruch der Fall. Nimmt man die Experteneinschätzung von 1.000 m Abstand als eine Basis, so ist bei einem Abstand von 1.000 m nach der statistischen Auswertung (s. Abb. 2 und Tabelle 2) im Mittel mit 28.000 Maispollen/m² zu rechnen und mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 % sind Depositionen von mehr als 100.000 Maispollen/m² (10 Maispollen/cm²) nicht mehr zu erwarten (80 %-VI beidseitig, einseitig 90 %). Wenngleich dies eine Exposition darstellt, bei der Wirkungen nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden können, so lässt sich aus Gründen des Vorsorgeprinzips ein Richtwert für eine praktikable Abstandstandregelung ableiten, deren Einhaltung im Freiland über das Pollenmonitoring messtechnisch überwacht und entsprechend dem aktuellen Wissenstand korrigiert werden kann. Dies würde einer in der Immissionsüberwachung gängigen Vorgehensweise entsprechen (siehe BImSchG, TA Luft, z. B. Einhaltung von 98 %-Percentil-Werten).

5 5 Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse der vorgestellten Untersuchungen belegen eindeutig, dass unter den Anbau- und Witterungsbedingungen des Jahres 2007 ein erheblicher Eintrag von Bt-Maispollen in das Schutzgebiet bestanden hat. Die Befunde der technischen Pollensammlung belegen an allen Standorten erhebliche Maispollendepositionen im FFH-Gebiet Ruhlsdorfer Bruch. Die biologische Sammlung von Maispollen durch die Honigbiene belegen, dass die Bienen großflächig auch außerhalb des Schutzgebiets Maispollen sammeln. Die molekularbiologischen PCR-Analysen belegen eine großflächige Verteilung erheblicher Mengen an Maispollen mit transgener DNA des Bt-Mais MON 810. Transgene DNA des Bt-Mais MON 810 wurde in den Maispollen der Höschen der Honigbienen sowie in den vom Wind verfrachteten Bioaerosolen des Pollenmassenfilters in ähnlich hohen Anteilen nachgewiesen. Damit reicht ein Schutzabstand von 100 m nicht aus, um eine Exposition und Gefährdung der besonders geschützten Schmetterlinge und anderer NZO mit Bt-Maispollen im Ruhlsdorfer Bruch zu vermeiden.

Die Befunde dieser Untersuchung belegen, dass Maispollen in erheblichem Maße weiter verdriftet werden als bei der Zulassung von Bt-Mais MON 810 sowie bei der Festsetzung der Mindestabstände der Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung (GenTPflEV 2008) angenommen wurde. Dass abseits der Feldgrenzen keine nennenswerte Exposition von Maispollen stattfinde, da dieser zu über 90 % im unmittelbaren Nahbereich von unter 5 m niedergehe, wird durch die Freilandbefunde widerlegt. Die Ergebnisse legen es nahe, die Zulassung solange auszusetzen, bis hinreichend Daten vorgelegt werden, die belegen, dass keine wesentlichen Schäden für die Schutzgüter zu erwarten sind. Ferner liefert diese Studie Hinweise für die Überarbeitung der Mindestabstände gemäß Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung (GenTPflEV 2008), insbesondere im Hinblick auf Naturschutzgebiete. Denn während dort die Koexistenz durch Sicherheitsabstände von 150 m zu konventionellen und 300 m zu ökologisch wirtschaftenden Betrieben geregelt werden, jedoch sind keine entsprechenden Maßnahmen zum Schutz von Natur und Landschaft vorgesehen. Bei einem allgemeinen Anbau von GVO werden zahlreiche Schutzgebiete betroffen sein, sodass eine alleinige Regelung über Einzelfallentscheidungen nicht durchführbar erscheint. Als Konsequenz sind zudem ungleiche Behandlung und Diskontinuität zu befürchten, die die gesetzlichen Ziele für einen nachhaltigen Naturschutz unterlaufen. Eine Dringlichkeit ergibt sich insbesondere daraus, dass eine schädigende Exposition auf geschützte NZO in einem Schutzgebiet während der sensiblen Entwicklungsphase im Sommer nicht hinnehmbar ist. Es bedarf daher dringend einer zur Koexistenz im Anbau vergleichbaren allgemeinen Regelung für Schutzgebiete. Hierbei bedarf es auch einer besseren Abstimmung von Gentechnikrecht und Naturschutzrecht (Winter 2007a, b).

6 6 Empfehlungen

Da für eine potenzielle Gefährdung der im Schutzgebiet Ruhlsdorfer Bruch vorkommenden Schmetterlingsarten keine Untersuchungen vorliegen, müsste der höchste Schutzstandard, die Vorsorge, maßgeblich sein. Dies ergibt sich, wenn man naturschutzfachliche Erwägungen ausblendet und alleine auf die ökotoxikologischen Implikationen des Anbaus von Bt-Mais fokussiert: das Bundesimmissionsschutzgesetz. Zweck des BImSchG ist es nach § 1 Absatz 1, dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen durch Stoffe vorzubeugen. Vorbehaltlich einer in Anlehnung an Winter (2007b, S. 641) generell vorzusehenden FFH-Verträglichkeitsprüfung sollte die Vermeidung des Eintrages von Bt-Maispollen im Ruhlsdorfer Bruch durch die technisch höchstmöglichen Abstände im Gebiet für den Bt-Maisanbau angestrebt werden. Hierbei wird aus Vorsorgegründen mindestens jedoch ein einzuhaltender Abstand von 1.000 m zur Schutzgebietsgrenze empfohlen. Eine Pollendeposition von 100.000 Maispollen/m² (10/cm²) wäre dann mit einer anzunehmenden 90-prozentigen Sicherheit nach allgemeiner Datenlage auszuschließen. Dieser Wert empfiehlt sich als Obergrenze fest zu setzen, die an keiner Stelle im Schutzgebiet überschritten werden soll. Die Angemessenheit der getroffenen Abstandsregelung kann dann per Messungen künftig kontrolliert und gegebenenfalls adjustiert werden.

Die Kenntnis über Standorte und Größe des Anbaus von konventionellem und gentechnisch verändertem Mais gelten als Grundvoraussetzung für eine effiziente Regelung. Mit den bislang vorliegenden Daten des Anmeldekatasters ist dies nicht ausreichend sicher zu bewerkstelligen. In einem Radius von 2 km um das Schutzgebiet sollten verpflichtend die genauen Anbaudaten und Aussaatzeiten zeitnah dokumentiert werden. Es empfiehlt sich, den Verlauf der Pollenschüttung von Mais zumindest an einigen regionalen Referenzstandorten zu erheben, da die Pollenausschüttung sehr variabel verläuft. Außer einer Messstation in Niedersachsen sind derzeit keine weiteren geeigneten Stationen im ländlichen Raum bekannt.

In Kombination von Modellierung und Messung ist ein spezifisches und auch effizientes Monitoring zu tragbaren Kosten umsetzbar (Schröder und Hofmann 2008). Dies beinhaltet die Modellierung und Kontrolle der räumlichen Verteilung der Maispollenexposition als Standarderhebung zum Vorsorgeschutz.

Zudem empfehlen wir im Hinblick auf biologisch-ökologische Wirkungsabschätzungen artspezifische Aspekte für bestimmte NZO zu erheben, z.B: die Variation der Deposition auf bestimmten Futterpflanzen konkret zu erfassen, sowie gefährdete Populationen an NZO im Gebiet längerfristig zu überwachen (z. B. Schmetterlingsmonitoring). Wenngleich die beiden letzten Aspekte nicht als Frühwarnsystem geeignet sind und nicht dem Vorsorgegedanken entsprechen, stellen sie ein nützliches Nachkontrollinstrument dar.

Für eine ökotoxikologische Bewertung von Bt-Mais MON 810 fehlen noch immer grundlegende Daten zu den Dosis-Wirkungs-Zusammenhängen für NZO. Hierbei sind nicht nur direkte letale oder unmittelbare toxische Wirkungen zu nennen, sondern auch andere adverse Effekte wie Verhaltensänderungen (Bewegungsmuster, Fraßverhalten). Derartige Untersuchungen, die Laborexperimente erfordern, gehen über ein konkretes Gebietsmonitoring hinaus und sollten gemäß dem schrittweisen Risikomanagement bereits vor Zulassung zum allgemeinen Anbau vorliegen, was jedoch nicht der Fall ist – oder es fehlen wie im Falle der Freisetzungsgenehmigung für Bt-Mais Risiko-Nutzen-Abwägungen (Winter 2007a, S. 578).

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Hofmann, F., Epp, R., Kalchschmid, A. et al. GVO-Pollenmonitoring zum Bt-Maisanbau im Bereich des NSG/FFH-Schutzgebietes Ruhlsdorfer Bruch. Environ Sci Eur 20, 275–289 (2008). https://doi.org/10.1007/s12302-008-0016-2

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/s12302-008-0016-2

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Keywords