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  • Biodiversität - Tagungsbericht
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9. Vertragsstaatenkonferenz des UN-Übereinkommens über die biologische Vielfalt 19.–30. Mai 2008, Bonn

Die im Jahre 1992 während der Konferenz zu Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro geschlossene UN-Convention on Biological Diversity (CBD) zielt auf den Schutz und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt sowie den gerechten Vorteilsausgleich bei der Nutzung genetischer Ressourcen. Die Erwartungen an die 9. Vertragsstaatenkonferenz (VSK) waren hoch, ist sie doch die letzte vor dem Jahr 2010, bis zu dem eine signifikante Reduzierung des Biodiversitätsverlustes erreicht werden soll. Erstmals nutzte das CBD-Sekretariat die Möglichkeit, ein neues, dringliches Problem, das Thema der nachhaltigen Produktion von Energiepflanzen, zusätzlich in die Tagesordnung aufzunehmen, s. Beitrag Paulsch in dieser Ausgabe (Paulsch 2008). Neu gegenüber früheren VSK war u. a. das „High-Level Segment“. Die Teilnahme von 157 Ländern, 80 davon vertreten durch Minister, trug wesentlich zu den während der 9. VSK erreichten Fortschritten bei.

Dieser Bericht behandelt die Schwerpunktthemen der Tagung: Access and Benefit Sharing – ABS, Finanzierung, globales Schutzgebietsnetz, Wald-Arbeitsprogramm.

Seit Bestehen der CBD fordern die Entwicklungsländer ein Regime des ABS. Die Nutzer genetischer Ressourcen sollen die Länder und Bevölkerungsgruppen, die diese bereitstellen oder erhalten, in gerechter Weise an ihrem Profit beteiligen. Es gab bisher keine Einigung, wie verbindlich ABS-Regelungen festgeschrieben werden sollen. In Bonn verabschiedete die VSK einen Fahrplan für das weitere Vorgehen bis zur 10. VSK.

Die 9. VSK beschloss eine Strategie zur Mobilisierung zusätzlicher finanzieller Ressourcen für die Erhaltung der Biodiversität. Es sollen auch neue Finanzierungsmechanismen geprüft werden, z. B. die Nutzung von Mitteln aus dem CO2-Emissionshandel. Der Privat- und der Finanzsektor sollen sich insgesamt stärker beteiligen.

Obwohl der Ökosystemansatz, der zusammen mit dem Vorsorgegrundsatz das grundlegende Handlungsprinzip der CBD darstellt, ausdrücklich auf den Schutz und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt der gesamten Biosphäre zielt, ist die zügige und systematische Errichtung eines globalen Schutzgebietsnetzes enorm wichtig, um wenigstens einen bestimmten Flächenanteil der existierenden Ökosystemtypen vor der Vernichtung zu bewahren. Die 9. VSK bestärkte das erklärte Ziel, 10 % aller Waldtypen zu schützen. Die Industriestaaten müssen die Entwicklungsländer dabei stärker finanziell unterstützen. Um diesen Prozess zu fördern, startete Deutschland während des High-Level-Segments die LifeWeb-Initiative. Diese Vermittlung zwischen potenziellen Geldgebern und Ländern, die Schutzgebiete errichten wollen, wird mittelfristig dem CBD-Sekretariat übertragen. Bereits jetzt sind unter LifeWeb neue Schutzgebiete mit einer Gesamtausdehnung von rund 460.000 km², d. h. der anderthalbfachen Größe Deutschlands, angemeldet. Das Umweltbundesamt leistet einen Teil des 2004 zugesicherten deutschen Beitrags zur Umsetzung des Schutzgebietsprogramms der CBD, indem es u. a. ein Projekt der Michael-Succow-Stiftung zum Aufbau eines Nationalparksystems in Turkmenistan koordiniert.

Während zum Arbeitsprogramm „Agrobiodiversität“ eine schnelle Einigung erzielt wurde, fand man zu Agrartreibstoffen erst nach schwierigen Verhandlungen einen Kompromiss, s. Beitrag Paulsch in dieser Ausgabe (Paulsch 2008). Die Konzentration auf Agrartreibstoffe sollte nicht den Blick darauf verstellen, dass auch die zunehmende Beanspruchung bisher ungenutzter Ökosysteme für die Viehhaltung, die Produktion von Futter, Fasern und anderen Gütern eine Bedrohung der biologischen Vielfalt ist. Das Umweltbundesamt fördert die Entwicklung und Umsetzung von Nachhaltigkeitsstandards für Biomasse und der Zertifizierung von Biomasse für den Internationalen Handel durch ein Forschungsprojekt mit dem ÖKO Institut e. V. in Kooperation mit dem IfEU (Institut für Energie und Umwelt) und gestaltete eine Diskussionsveranstaltung während der DBU-Messe (Deutsche Bundesstiftung Umwelt) zum Thema „Bioenergy and Biodiversity: Potential for use of degraded lands“.

Jährlich werden weltweit ca. 130.000 km² Wald und somit ungezählte Arten, genetische Variationen und Biotoptypen, vernichtet. Gleichzeitig ist die Waldzerstörung ein Hauptantriebsfaktor für den Klimawandel. Bis zum letzten Tag der 9. VSK zogen sich die Verhandlungen zum Waldschutzprogramm der CBD hin. Die Finanzierung von Schutzgebieten muss langfristig gesichert werden. Zur nachhaltigen Nutzung der Wälder einigten sich die Teilnehmer auf konkretere Beschlüsse als bei früheren VSK, z. B. zur Bekämpfung des illegalen Holzeinschlags, zur nachhaltigen Produktion von Bioenergie und gegen den Anbau gentechnisch veränderter Bäume. Die afrikanischen Staaten unterstützten bei diesen Themen die EU. In Deutschland und Europa gefährden Nährstoffeinträge (v. a. Stickstoff aus der Landwirtschaft), Klimawandel und zunehmende Zerschneidung zusammenhängender Waldgebiete die Biodiversität der Wälder am stärksten. Der Problematik der Nährstoffeinträge, die im Millennium Assessment als eine weltweit prioritäre und stark zunehmende Gefahr für die Biodiversität beschrieben ist, sollte die CBD m. E. zukünftig mehr Aufmerksamkeit widmen und dazu mit internationalen Aktivitäten zur Luftreinhaltung und Stickstoffminderung kooperieren.

Die Änderung des globalen Klimas zählt zu den wichtigsten Bedrohungen der biologischen Vielfalt. Wichtige Ergebnisse der 9.VSK sind die Stärkung der Kooperationen mit den Rio-Konventionen zu Klima und Wüstenbildung sowie die Einigung, keine kommerziellen Aktivitäten zur Düngung der Ozeane zuzulassen, die der zusätzlichen CO2-Speicherung dienen sollen. Letzteres hatten Länder wie Ecuador, die Philippinen und Ghana sowie verschiedene Nichtregierungsorganisationen gefordert. Sowohl bei allen Minderungs- als auch Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel soll eine integrierte Bewertung der Wirkungen auf die Biodiversität im Sinne des Ökosystemansatzes erfolgen.

Unter dem Thema „Biodiverität der Binnengewässer“ verabschiedete die 9. VSK einen gemeinsamen Arbeitsplan mit der Ramsar-Konvention und der Absicht, das Berichtswesen zu harmonisieren. Trotz der Widerstände einiger Staaten wurden gute Beispiele internationaler Zusammenarbeit bei grenzüberschreitenden Gewässern hervorgehoben, z. B. die Arbeit internationaler Flussgebietskommissionen bei der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Bisher stehen nur etwa 0,6 % der Meeresoberfläche und 1,4 % der Küstengebiete unter Schutz. Die Einigung auf die biozönotischen Kartierung der Ozeane und auf wissenschaftliche Kriterien für die Auswahl zukünftiger Meeresschutzgebiete sind wichtige Schritte, um ein repräsentatives Netzwerk von Schutzgebieten zu erstellen, dezimierte Fischbestände zu schützen und wertvolle Lebensräume zu bewahren. Bis 2010 sind weitere Arbeitstreffen geplant.

Die Ziele der CBD sollen durch ökonomische Anreize unterstützt werden. Dazu erzielte die 9. VSK jedoch keine klaren Vereinbarungen.

Der Ökosystemansatz wurde mit seinen zwölf Prinzipien für die Umsetzung bereits auf der 5. VSK empfohlen. Die 9. VSK diskutierte hauptsächlich, wie dieser Ansatz in verschiedenen räumlichen Ebenen (lokal, national, regional, global) und unter spezifischen Bedingungen umzusetzen sei. Es fehlt dazu an Kommunikation und ausreichender Anleitung. Viele Länder verweisen auf zu geringe Kapazitäten, um die notwendigen Verwaltungs- und Kontrollsysteme aufzubauen. Trotz günstiger Rahmenbedingungen müssen integrativer Umwelt- und Naturschutz, die Einbeziehung der Landnutzer und die ressortübergreifende Zusammenarbeit auch in Deutschland und in der EU noch weiterentwickelt werden, um die Anforderungen des Ökosystemansatzes umfassend zu erfüllen.

Zum Tagesordnungspunkt Monitoring, Bewertung und Indikatoren beschloss die 9.VSK, weitere Schritte zur Gründung einer effizienten Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik für die bessere Umsetzung der CBD-Ziele (analog IPCC für die Klimarahmenkonvention) zu beraten. Das neue Gremium soll das Millennium Assessement und den konsultativen Prozess „International Mechanism of Scientific Expertise on Biodiversity“ (IMoSEB) zusammenführen.

Weitere Themen der 9. VSK waren die „Globale Taxonomie Initiative“, die „Globale Strategie zum Schutz der Pflanzen“, „Invasive gebietsfremde Arten“, die Biodiversität der Trockengebiete sowie der Inseln und eine Reihe von Themen strategischer, juristischer und gesellschaftspolitischer Natur. Am Rande der Verhandlungen wurden außerdem die Studie zu den ökonomischen Kosten des Verlusts der Biodiversität und die „Business and Biodiversity Initiative“ vorgestellt. Eine große Anzahl von Side-Events, Veranstaltungen und Ausstellungen begleiteten die Konferenz. Umfassende Informationen zur 9. VSK bietet die CBD-Website (www.cbd.int/cop9/), auf der demnächst die Berichte und Entscheidungen veröffentlicht werden.

Die Umsetzung der Ergebnisse der 9.VSK in Deutschland wird vorrangig über die Umsetzung der Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt erfolgen (Mohaupt-Jahr und Küchler-Krischun 2008).

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Mein Dank gilt den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Umweltbundesamtes, die durch ihre Beiträge die Zusammenstellung dieses Tagungsberichtes ermöglichten.

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Schütze, G. 9. Vertragsstaatenkonferenz des UN-Übereinkommens über die biologische Vielfalt 19.–30. Mai 2008, Bonn. Environ Sci Eur 20, 194–196 (2008). https://doi.org/10.1007/s12302-008-0011-7

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